Krefeld St.-Heinrich-Kirche wird 100 Jahre alt

Krefeld · Das Gotteshaus im Uerdinger Norden sollte einst das Zentrum eines neuen Stadtteils der damals eigenständigen Rheinstadt werden. Hans-Georg Liegener - in der Pfarre großgeworden und dort lange Jahre Jugendleiter - blickt in die Geschichte.

 Die Glocken wurden am 6. April 1915 geweiht und am 27. April für den Kriegseinsatz wieder abgeholt. In der Mitte ist Pfarrer Josef Göttsches zu sehen. - 1998 mussten vier Stahlglocken ihren Betrieb einstellen. Sie wurden 2008 durch vier Bronzeglocken aus der aufgegebenen Kirche im Campus Fichtenhain ersetzt. Eine fünfte, neue Glocke wurde durch Spenden finanziert.

Die Glocken wurden am 6. April 1915 geweiht und am 27. April für den Kriegseinsatz wieder abgeholt. In der Mitte ist Pfarrer Josef Göttsches zu sehen. - 1998 mussten vier Stahlglocken ihren Betrieb einstellen. Sie wurden 2008 durch vier Bronzeglocken aus der aufgegebenen Kirche im Campus Fichtenhain ersetzt. Eine fünfte, neue Glocke wurde durch Spenden finanziert.

Foto: Uerdinger Heimatbund

Die Gemeinde St. Heinrich im Uerdinger Norden feiert in diesem Jahr das 100-jährige Kirchenjubiläum. Am 11.Juli 1915 war die Kirche durch den Kölner Erzbischof Kardinal Hartmann - das Bistum Aachen wurde erst 1930 gegründet - geweiht worden. Krefelds Caritas-Geschäftsführer Hans-Georg Liegener ist in dieser Gemeinde großgeworden, ist dort als heute 60-Jähriger immer noch als Kirchenvorstandsmitglied ehrenamtlich tätig und kennt die Geschichte der Pfarre wie kaum ein Zweiter. Besonders lebhaft erinnert er sich als langjähriger Leiter der Pfarrjugend an die Zeit seit den 60er Jahren.

Uerdingen, das in den 1870er Jahren noch 3000 Einwohner zählte, wuchs mit der aufkommenden Industrie - Büttnerwerke, Waggonfabrik, Kathreiner und ter Meer - immer weiter; bis 1910 hatte sich die Einwohnerzahl mehr als verdreifacht. Im Norden der damals noch selbstständigen Rheinstadt wurden mehr und mehr Werkswohnungen für die Arbeiter gebaut. "Es gab Überlegungen, so etwas wie einen zweiten Stadtteil zu schaffen, wobei der Braunschweiger Platz ein zweiter Marktplatz werden und neben St. Peter im Stadtzentrum eine zweite große Kirche im Norden errichtet werden sollte", erzählt Liegener. Ein Bebauungsplan wurde 1906 eingereicht.

 Die St.-Heinrich-Kirche heute. Links daneben das Haus Madeleine der Augustinus-Behindertenhilfe.

Die St.-Heinrich-Kirche heute. Links daneben das Haus Madeleine der Augustinus-Behindertenhilfe.

Foto: T.L.

Schon zwei Jahre zuvor hatte die Pfarre St. Peter auf Betreiben von Heinrich Theißen, Uerdinger Ratsherr und Kirchenvorstand, das notwendige Brachgelände für die neue katholische Kirche gekauft. Aus einem Architektenwettbewerb ging 1909 der Frankfurter Hans Rummel hervor. "Dessen Entwurf einer großen, säulenfreien Hallenkirche mit Zitaten verschiedener Stile war dem Bistum aber zu modern. Es wollte unbedingt eine Basilika-Anmutung und setzte schließlich die Säulen in dem Gebäude durch. So verzögerte sich der Baubeginn bis 1913", berichtet Liegener aus der Historie.

Nach der Weihe 1915 wurde St. Heinrich - die Namensgebung dürfte laut Liegener eine Referenz an Heinrich Theißen gewesen sein - zunächst Rektoratskirche mit stolzen 4000 Katholiken und vier Jahre später selbstständige Pfarre. Erster Pfarrer war der vormalige Kaplan an St. Peter, Josef Göttsches, unter dem sogleich eine intensive Jugendarbeit begann. Ihm folgten Richard Schulte und ab 1937 Paul Müller. Dieser Nazi-Gegner schaffte es, ihnen den Bau seiner ersehnten, 1943 geweihten Krypta unter der Kirche als Luftschutzraum zu verkaufen.

 Das Innere der St.-Heinrich-Kirche. Das Bistum setzte die basilikale Anmutung durch die zunächst nicht vorgesehenen Säulen in der Hallenkirche durch.

Das Innere der St.-Heinrich-Kirche. Das Bistum setzte die basilikale Anmutung durch die zunächst nicht vorgesehenen Säulen in der Hallenkirche durch.

Foto: Thomas Lammertz

Die Nazis hatten damals jede Jugendverbandsarbeit verboten. "An St. Heinrich bestand sie aber, als Kegelklub ,Alle Neune' getarnt, fort. Eine Zeit lang war die Busmühle an der Bergstraße ein geheimer Treffpunkt. Von 1940 bis Februar 1945 hat die Jugendarbeitsleitung sogar einen Rundbrief herausgegeben. Die Soldaten schickten ihre Nachrichten aus ihren Einsatzgebieten an den Vorstand des Kegelklubs'. Der fasste sie zusammen und schickte sie als Rundbrief wieder an die Soldaten der Pfarre hinaus", berichtet Liegener, dessen Vater Willi damals Vorstand des "Kegelklubs" war. Ihm folgten dessen Schwager und dessen Cousin. Als diese eingezogen wurden, übernahm Hilde Ingenfeld, die Mutter Hans-Georg Liegeners, diese Aufgabe.

Aus dieser Tradition heraus begann mit der Heimkehr der Jungmänner nach dem Krieg sofort wieder die Jugendarbeit. Schon 1946 kaufte Pfarrer Müller eine Fremdarbeiter-Baracke, die zunächst eingelagert wurde, bis Steine organisiert und auf dem Gelände des heutigen Kindergartens die Fundamente für diese, dann "Jugendhalle" genannte Baracke gemauert werden konnten. "Dort wurde eine legendäre Jugendarbeit betrieben. Es gab bedeutende Karnevalssitzungen und auch eine Theatergruppe mit einem Profi-Regisseur. Aus dieser Jugendarbeit entstammten 14 Ehen und vier Priester", berichtet Liegener. 1957 wurde das neue Jugendhaus eingeweiht. "In den 70er bis Mitte der 80er-Jahren hatten wir immer um die 150 Messdiener", erinnert sich Liegener. Parallel dazu gab es ein gutes Dutzend Jugendgruppen.

Heute sind die sozialen Einrichtungen Schwerpunkte des Gemeindelebens. Es gibt den viergruppigen Kindergarten, das Kunigunden-Seniorenheim der Caritas und seit 2013 das Haus Madeleine der Augustinus-Behindertenhilfe. Im vergangenen Jahr ist gerade die vor 100 Jahren eingerichtete, viel besuchte Bibliothek, laut Liegener die moderneste im Bistum, umgestaltet worden. Außerdem ist der Sachausschuss "Feste" sehr aktiv. Nach wie vor gibt es - neben den Pfarrfesten - Karnevalsveranstaltungen wie "Heinis Hausball", das Treffen nach dem Tulpensonntagszug und die Seniorensitzung.

(RP)
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