Krefeld Die Nacht der Theater-Oscars
Krefeld · So viele Oscars gab es noch nie - und auch in puncto Überraschungen hatte die Verleihung der Theater-Oscars noch mehr zu bieten als zuvor: Erstmals gab es zwei Ehren-Preise, einen strippenden Laudator und Italo-Pop-Schmalz.
Die Theateroscar-Nacht im Mönchengladbacher Theatercafé Linol hatte es in sich: Laudatoren strippten, sangen herzergreifend oder entführten ins schaurig Abgründige. Chansons de Paris verbreiteten mondäne frankophile Stimmung und Schauspieler parodierten in irrwitziger Weise Italo-Schlager. Es gab sogar einen streng geheimen Spezial-Ehren-Oscar für Dirk Richerdt, der zum letzten Mal in seiner Funktion als RP-Kulturredakteur Mit-Moderator des Abends war.
Auch für Sophie Witte war die Ehrung eine Überraschung. "Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich mal eine Oscarpreisträgerin sein werde", sagte sie - noch ganz gerührt von der unnachahmlichen Laudatio, die Mediotheksleiter Helmut Schroers mit einem umgetexteten Udo-Jürgens-Lied auf die "Beste Sängerin der Spielzeit" gesungen hatte. Bei der Feier war ausgiebig Gelegenheit, auf Großartiges aus dem Theaterjahr zurückzublicken - "zum Beispiel die Kontinuität beim Theater", sagte der Mönchengladbacher RP-Redaktionsleiter Ralf Jüngermann. Deshalb seien die Auszeichnungen "verdienter Lohn" für die Gewinner, aber auch für das Theater als Ganzes in seiner "Livehaftigkeit".
Der Südafrikaner Kobie van Rensburg hatte die weiteste Anreise: Er kam aus Berlin, um den Preis "bestes Musiktheater" für Don Giovanni gemeinsam mit dem musikalischen Leiter Alexander Steinitz entgegenzunehmen. Als Laudator hatte der Mönchengladbacher Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners Premiere. Für ihn war es ein freudiges Datum: Auf den Tag ein Jahr zuvor hatte er die OB-Stichwahl gewonnen. Ein besonderer Tag war es auch für Tenor Michael Siemon: Er erhielt den ersten Oscar als bester Sänger, und seine Tochter feierte den ersten Geburtstag. Der Gladbacher Kulturdezernent Gert Fischer gestand als Laudator für das beste Bühnenbild, dass er als jemand, der in der Verwaltung arbeite, eher ein Spezialist für "Abgründiges" sei und lobte "Hoffmanns Erzählungen" hintergründig in einem "kurzen Drama in fünf Akten". Heinrich Rungelrath, Vorsitzender der Theaterfreunde Krefeld, beeindruckte mit Striptease-Künsten. Er enthüllte - sein Hemd öffnend - effektvoll ein Dogville-T-Shirt. Das Stück ist, so Regisseur Matthias Gehrt, "das sperrigste und ungemütlichste" der vergangenen Spielzeit. Er habe nicht damit gerechnet, dass gerade diese Adaption von Lars von Triers Film oben in der Gunst der Leser stehen würde. Beste Schauspielerin wurde - schon zum sechsten Mal- Esther Keil. Adrian Linke, zum fünften Mal bester Schauspieler, freute sich über die Lobesworte der Schriftstellerin Susanne Goga offensichtlich so sehr, dass er zusammen mit Keil lauthals und mit Perücke "Felicita" anstimmte - der skurrilste Moment des Abends.
Beim Ballet gab es glanzvolle Oscars für Elisa Rossignoli, fachkundig vorgestellt von Victoria Bröcker, und Paolo Franco, als wahrhafter Charakter-Tänzer wertgeschätzt nicht nur von Laudatorin Ina Coelen. Robert North wurde für Carmina Burana prämiert und unterstrich das hervorragende Zusammenspiel aller. Intendant Michael Grosse weiß auch um die Wichtigkeit kollektiver Leistung. Er zeichnete den Opernchor mit dem Ehren-Oscar aus, der "sich so bedingungslos" für den Theaterbetrieb Tag für Tag einbringt.