Krefeld Der Teppich des Perseus

Krefeld · Zu den wertvollsten Schätzen der Burg Linn gehört ein edler Wandteppich aus dem 16. Jahrhundert. Die Stadt hat ihn zur Ausstattung der Burg 1956 angekauft - aus dem Nachlass eines Münchner Malers. Das textile Kunstwerk zeigt Szenen aus dem Heldenleben des Halbgottes Perseus.

 Perseus, der Held, ist nicht zimperlich. Er muss zahlreiche Widersacher mit dem Schwert unterwerfen. Hier tötet er Phineus, um Andromeda aus dessen Gewalt zu befreien. Diese Szene ist im rechten oberen Teil des Teppichs zu sehen.

Perseus, der Held, ist nicht zimperlich. Er muss zahlreiche Widersacher mit dem Schwert unterwerfen. Hier tötet er Phineus, um Andromeda aus dessen Gewalt zu befreien. Diese Szene ist im rechten oberen Teil des Teppichs zu sehen.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Homestyling war schon für Burgherren der Renaissance ein Thema. Weil die Tapeten damals noch nicht erfunden waren, gaben gutbetuchte Adlige bei den angesagtesten Künstlern ihrer Zeit Wandteppiche in Auftrag, die dann die kahlen Wände ihres Heims schmücken sollten. Heute haben nur noch wenige Burgen solche Schätze aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Die Burg Linn präsentiert gleich fünf ausgesprochen gut erhaltene Wandteppiche: Vier unterschiedlich große Teppiche mit Szenen aus der Legende um König David hängen im oberen Rittersaal. Sie sind um 1580 entstanden und gehörten ursprünglich vermutlich zu einem sechsteiligen Zyklus. Der älteste und kostbarste Teppich schmückt den unteren Saal: Das 4,40 Meter breite und 3,70 Meter hohe textile Kunstwerk schildert die Heldentaten und Heimkehr des Perseus und ist noch weitaus besser in Schuss als die David-Gewebe.

 Danae nach der Rettung im Palast von Seriphos mit dem König Polydektes (r.) - die Szene im Vordergrund des Teppichs.

Danae nach der Rettung im Palast von Seriphos mit dem König Polydektes (r.) - die Szene im Vordergrund des Teppichs.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Bereits 1956 - zur Eröffnung der wiederhergestellen Linner Burg - hat der damalige Museumsdirektor Albert Steeger den aus Seide und Wolle gewebten Teppich aus dem Nachlass des Münchner Malers Franz von Lenbach gekauft. Wie viel Krefeld dafür bezahlte, ist nicht benannt. Lenbach allerdings hatte ihn gegen Ende des 19. Jahrhunderts "mit baren 80.000 Goldmark bezahlt", schreibt der Kunsthistoriker Walther Bremen 1961 im Krefelder Jahrbuch "heimat".

 Dass die Blau- und vor allem Rottöne die Jahrhunderte so gut überstanden haben, spricht für die Qualität.

Dass die Blau- und vor allem Rottöne die Jahrhunderte so gut überstanden haben, spricht für die Qualität.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Wo der Teppich zuvor gehangen haben mag, wie er die Jahrhunderte und mehrere Kriege überstanden hat, ist nicht bekannt. Fest steht, dass sich ein Textilkunstwerk in diesem Ausmaß - immerhin ein Unikat - nur die reichsten Fürsten mit entsprechend geräumigen Sälen leisten konnten. Walter Bremen schreibt, der Wert sei schon zur Zeit der Herstellung so hoch gewesen, dass der Teppich in einem Palast gehangen haben muss.

 Fast dreidimensional wirk der gewebte Teppich bei diesem Säulendetail.

Fast dreidimensional wirk der gewebte Teppich bei diesem Säulendetail.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Der Teppich ist zwischen 1530 und 1550 in Brüssel entstanden - ein Werk von Pieter Koek van Aelst, Hofmaler von Kaiser Karl V. Lange war der Gobelin dem "flämischen Raphael" Bernt van Orley (1491-1542) zugeschrieben worden, doch Bremen führt den Beweis, dass dessen Meisterschüler Koek (1502-1550) der Urheber gewesen sein muss. Die betont unsymmetrische und fantastische Bildsprache sei deutliches Indiz.

 So hängt der Teppich im Rittersaal: ein 4,40 mal 3,70 Meter großes Prachtstück. Die Figur rechts außen ist ein Selbstbildnis des Malers.

So hängt der Teppich im Rittersaal: ein 4,40 mal 3,70 Meter großes Prachtstück. Die Figur rechts außen ist ein Selbstbildnis des Malers.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Wie der Maler aussah, lässt sich aber noch heute erkennen: In der rechten unteren Ecke - dort, wo Künstler ihre Bilder signieren - hat er sich als Hellebardier dargestellt - die einzige Figur, die aus dem Bild herausblickt und den Betrachter direkt anzuschauen scheint. Die Frau an seiner Seite ist wahrscheinlich seine Ehefrau Maeyken, damals eine bekannte Miniaturmalerin, die vielleicht am Teppich mitgewirkt haben könnte. Zwischen ihnen beiden steht ein Schwarzafrikaner, den Bremen als "Mohrensklaven" deutet, den Koek als Page von Sultan Soliman aus Konstantinopel bekam, der von den Teppichen derart begeistert gewesen sein soll, dass er den Künstler mit Geschenken überhäufte. Seine Einlassung nannte Bremen "phantasievolle Vermutungen, die nicht bewiesen werden können. Andererseits haben sie aber zuviel Wahrscheinlichkeit für sich, als dass ich sie hätte verschweigen dürfen. Bis zur Widerlegung werden sie jedenfalls ihren Wert behalten." Und noch ist nichts widerlegt. Viele Auslegungen gab es allerdings zu der heute kaum noch lesbaren Inschrift, die die Heldenszenen aus dem Leben des Halbgottes Perseus übertitelt. "Da haben sich Grammatik- und Rechtschreibfehler eingeschlichen", sagt Christoph Reichmann, Leiter des Museums Burg Linn.

Letztlich haben sich die Lateinexperten auf eine Lesart und folgende Übersetzung geeinigt: "Ein alter Glaube: Perseus, der seinen Ahn mit dem Diskus, den er zufällig zerschmiss, tötete, strahlt mit der lieben Gattin im Äther als Stern."

Diese Schlussszene der Perseus-Sage ist bildlich nicht auf dem Teppich dargestellt, aber viele Stationen aus dem Heldenleben des Halbgottes. Auffällig ist, dass Perseus als glorreicher Kämpfer in der Antike nachempfundenen Gewändern dargestellt ist, während die übrigen Figuren nach der flämischen Mode der Renaissance gekleidet sind.

(RP)
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