Krefeld Der Tanz um die Männlichkeit

Krefeld · Was gilt als typisch männlich? Wie viel Klischee steckt im Bild vom starken Mann und welche Rolle spielen dabei Familie und Freundschaften? Diese Fragen waren Thema des Tanzstücks "Beauty of the Beast", mit dem das Tanzfestival "Move" eröffnet wurde.

 Ein Mann am Boden. Ein Zeichen von Schwäche? In "The Beauty of the Beast" spielt die britische Company Chameleon faszinierend mit den Klischees von Rollenverteilung und Männlichkeit.

Ein Mann am Boden. Ein Zeichen von Schwäche? In "The Beauty of the Beast" spielt die britische Company Chameleon faszinierend mit den Klischees von Rollenverteilung und Männlichkeit.

Foto: Brian Slater

Zum 15. Mal zeigt das Kulturbüro in der Fabrik Heeder an insgesamt zehn Abenden die Vielgestaltigkeit des zeitgenössischen Tanzes in NRW und im Ausland - diesjähriges Gastland ist Großbritannien. Kulturamtsleiter Jürgen Sauerland-Freer spricht in seiner Begrüßungsrede von einem kleinen Jubiläum. Was 1994 als kleines, im zweijährigen Turnus stattfindendes Festival begann, hat sich als wichtige Plattform für den Tanz in NRW und die gastierenden Künstler etabliert. Seit einigen Jahren findet das Festival jährlich statt, und mit der Förderung durch die Kunststiftung NRW und das Ministerium erfährt das Festival (wie berichtet) neben finanzieller Unterstützung auch ideelle Anerkennung. "Kleine Blitzlichter", sagt Sauerland-Freer stolz, sind dabei immer auch die Gastländer.

In kürzester Zeit erobern die sechs Tänzer der Company Chameleon aus Manchester die mit schwarzen Stoffwänden an den Seiten ausgekleidete Bühne. Der Zuschauerraum ist voll besetzt, es gab sogar Wartelistenplätze für das von der britischen Presse hochgelobte Stück. Anthony Missen, Regisseur und einer der Protagonisten des Abends, konfrontiert das Publikum gleich zu Beginn mit einem naheliegenden Klischee. In perfekter Körperbeherrschung und Synchronität lässt er zwei Tänzer in Ballettposen zu klassischer Streichermusik auf die Bühne treten und spielt damit auf das Vorurteil an: Klassischer Tanz und Männlichkeit passen nicht zusammen. Das schön anzuschauende Pas de deux wird jäh gestört durch einen dritten und vierten Tänzer: Die Musik verstummt und die beiden Balletttänzer ernten verächtliche Blicke von den anderen. Es formiert sich eine sechsköpfige Jungenbande um Anführer Anthony Missen. In schnell aufeinanderfolgenden Einzelszenen werden Mutproben durchgespielt und um Anerkennung innerhalb der Gruppe gerungen. Vor allem für den dunkelhäutigen Tänzer, der einfach nur dazu gehören möchte - mit einem Augenzwinkern führt er den anderen, weißen Tänzern vor, wie akrobatisch und rhythmisch er seinen Körper zu schwungvollen Sambabeats in Szene setzen kann, und verschafft sich somit Eintritt in die ersehnte Clique.

Der weitere Plot des Stücks ist schnell erzählt: Machtkämpfe werden ausgetragen und Selbstbilder zwischen Held, bestem Kumpel, Rivalen, Mitläufer und Individualist werden eindringlich gezeichnet. Die Stärke des Stücks liegt vor allem in der Intensität und Dichte der einzelnen Szenen. Die Tanzsprache ist stets temporeich und kunstvoll-akrobatisch. Mit jeder neuen Szene erobern sich die Tänzer einen neuen Spielraum und kreieren dabei jedes Mal eine andere Stimmung: Mal ist es der raue Ton auf der Straße, mal ausgelassene Heiterkeit mit Freunden, mal die intime Erinnerung an die Mutter und mal sind es beißende Selbstzweifel.

Unterstützt wird der schnelle Szenen- und Stimmungswechsel von der Musikauswahl, die von Bach bis "Rage Against The Machine" reicht. Das Schlussbild zeigt einen Mann in weißem Hemd und Anzughose - Identität und Zugehörigkeit sind das Resultat von vielen individuellen Kämpfen, Entscheidungen und Entwicklungen.

Das Publikum zeigt sich durchgehend berührt und bewegt. Der Applaus ist begeistert und viele Zuschauerinnen rufen Bravo.

Mit "Kaiserkleider" folgt am Freitag, 4. November, die nächste Tanzperformance. Das komplette Programm und weitere Infos zu "Move!" unter www.krefeld.de/heeder.

(RP)
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