Krefeld Der Streit um die Mondrian-Bilder

Krefeld · Falsche Verdächtigung ist ein Straftatbestand: Veruntreuung und Verschleierung sollen Anwälte der US-Erben der Stadt Krefeld im Hinblick auf die Herkunft von acht Bildern aus der Urheberschaft von Piet Mondrian im Besitz des Kaiser-Wilhelm-Museums unterstellt haben.

Krefeld: Der Streit um die Mondrian-Bilder
Foto: Kaiser Wilhelm Museum, Sammlungspräsentation, 1980er Jahre (Credit: Kunstmuseen Krefeld, Volker Döhne)

Vor 20 Jahren erschien ein Katalog des Niederländers Joop Joosten über die Werke seines berühmten Landsmanns Piet Mondrian. Durch die Publikation erfuhren die Witwe von Harry Holzman, dem Erben des Nachlasses von Piet Mondrain, und ihre drei Söhne von Bildern des Meisterkünstlers im Besitz des Kaiser-Wilhelm-Museums in Krefeld. Das schreibt die New York Times. Die Erben beauftragten daraufhin einen spezialisierten Rechtsanwalt und eine Provenienz-Expertin, sich um die Herkunft der Malerei zu kümmern. Nach Auswertung diverser Veröffentlichungen in Fachpublikationen und anderer Quellen erfolgte im vergangenen Oktober der Kontakt zur Stadt Krefeld, mit der Aufforderung, die Bilder zurückzugeben (wir berichteten). Die Amerikaner gehen dabei von einem dreistelligen Millionenwert aus. Entsprechend hoch ist der mögliche Streitwert vor Gericht.

Die New York Times führt an, dass die frühere Kustodin des Kaiser-Wilhelm-Museums in einem Buch Walter Grasskamps mit dem Titel "Das Kunstmuseum" mit dem Satz "vermutlich gehören die Bilder Piet Mondrian" zitiert wird. Als weiterer Kronzeuge für die Forderung sei der ehemalige Kulturstaatssekretär Michael Naumann aufgeführt. Er soll in einem Brief ans Krefelder Rathaus die Geschichte der Mondrian-Bilder nach dem Zweiten Weltkrieg als ein "Schurkenstück des Museums-Managements" bezeichnet haben. Mondrian selbst soll in seiner Zeit in New York davon ausgegangen sein, dass die Werke im Zweiten Weltkrieg zerstört worden sind. Das würde erklären, warum er keinen Eigentumsanspruch auf die Malereien in Krefeld erhoben hat. Mondrian starb 1944. Seine Kunstwerke tauchten laut New York Times allerdings zu der Zeit in den Inventarlisten des Museums überhaupt nicht auf.

Wie die Stadt bestätigt, wurden erst im Jahr 1950 insgesamt acht Werke von Piet Mondrian im Kaiser-Wilhelm-Museum aufgefunden. Ein Stadtsprecher erklärte, es gebe Vermutungen, wonach sie im Jahre 1929 im Rahmen eines geplanten Ausstellungsprojektes nach Krefeld gekommen sein könnten. Einen Beweis dafür gebe es allerdings nicht. Vier dieser Werke befänden sich bis heute im Besitz des Museums. Vier weitere Arbeiten seien vom damaligen Museumsdirektor Paul Wember gegen Papierarbeiten der klassischen Moderne getauscht worden.

In einer so genannten "Expert Opinion", die an die Stadt Krefeld übersandt wurde, werde nun die Behauptung aufgestellt, dass die Mondrian-Werke seinerzeit veruntreut wurden. Des Weiteren soll dieser Sachverhalt über Jahrzehnte verschleiert worden sein. Für beide Behauptungen lägen nach umfassender rechtlicher Prüfung keine Beweise vor, erklärte der Stadtsprecher.

Bezüglich der erhobenen Vorwürfe habe die Stadt Krefeld den Anwälten der Mondrian-Erben mitgeteilt, dass Unterstellungen und Diffamierungen ehemaliger und heutiger Mitarbeiter der Stadt Krefeld aufs Schärfste zurückgewiesen werden. Rechtliche Schritte behalte sich die Stadt Krefeld vor, so der Sprecher weiter.

Die Stadt geht vielmehr von einer Schenkung aus. Die Autoren selbst lieferten Anhaltspunkte dafür, dass die fraglichen Bilder auch als solche ins Museum gelangt sein könnten. Demnach habe Mondrian regelmäßig Gemälde verschenkt, für die er aktuell keine Verwendung mehr hatte. Diese Sichtweise werde gestützt durch die Tatsache, dass Mondrian zu Lebzeiten keine Ansprüche auf die Bilder erhoben habe. Auch sein Erbe Harry Holtzman habe diese Ansprüche bis zu seinem Tod im Jahr 1987 nicht geltend gemacht, obwohl der Verbleib der Bilder in Krefeld seit 1950 bekannt war, betonte die Stadt. Der Vorwurf der Verschleierung sei unhaltbar. Paul Wember und seine Nachfolger Gerhard Storck und Martin Hentschel hätten umfangreich zu der ungeklärten Herkunft der Bilder geforscht. Der Verfasser des Werkverzeichnisses sei mehrfach in Krefeld gewesen, um zu recherchieren und sich mit den Direktoren auszutauschen. Er habe sowohl die vier noch im Museum befindlichen Werke erfasst und im Verzeichnis publiziert als auch zwei der vier Arbeiten, die 1952 und 1953 gegen andere Werke eingetauscht wurden.

Drei der vier Mondrian-Werke aus der Sammlung der Kunstmuseen seien über die Jahrzehnte immer wieder in Ausstellungen gezeigt worden - allein deshalb ist der Vorwurf der Vertuschung schlichtweg falsch. Das vierte Bild, so der Stadtsprecher, war konservatorisch so gefährdet, dass es nicht verliehen wurde. Es sei jedoch im Bestandskatalog des Jahres 1963 abgebildet, wie auch die drei anderen Werke.

Der frühere Museumsdirektor Paul Wember hatte die drei Werke von Mondrian unter anderem 1956, 1958, 1959 und 1960 für Ausstellungen verliehen. 1959 war eins der Werke auf der Documenta zu sehen, die schon damals ein internationales Publikum anzog. In jüngerer Zeit wurden die Werke unter anderem in der Wanderausstellung "Farbwelten" gezeigt. Seit ihrer vollständigen Restaurierung sind sie europaweit in Ausstellungen gezeigt worden, unter anderem in der Tate in Liverpool (2014), im Gropius-Bau Berlin (2015) in Utrecht und Herford (beide 2017). Auf diese Weise stehen die Arbeiten als Teil einer musealen Sammlung bis heute einer interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung.

Unabhängig von der rechtlichen Ausgangsposition im vorliegenden Fall sei die Stadt Krefeld sich ihrer allgemeinen Verantwortung bewusst und nimmt das Thema ernst, betonte der Stadtsprecher. Seit 2015 stünden die Kunstmuseen Krefeld deshalb im direkten Austausch mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK). In der Vergangenheit seien natürlich bereits Einzelfälle untersucht worden, eine umfangreiche und systematische Aufarbeitung in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Kulturgutverluste sei geplant. Sie beziehe sich auf diejenigen Sammlungsbestände, die im Bezug stehen zu im Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut.

"Bei der hier aufgeworfenen juristischen Frage handelt es sich nicht um ein solches Restitutionsverfahren nach dem Washingtoner Abkommen. Der fragliche Zeitraum liegt deutlich vor dem Geltungsbereich des Abkommens (ab 1933). Da es sich bei den Mondrian-Gemälden also nicht um NS-Raubkunst handelt, kann das DZK eine Provenienzforschung in diesem Fall nicht unterstützen", erklärte der Stadtsprecher. Die Kunstmuseen Krefeld würden gleichwohl unabhängig davon eine aktuelle Provenienzuntersuchung der Gemälde Mondrians einleiten und einen Spezialisten mit der Erforschung beauftragen.

(sti)
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