Krefeld Der "Rote Wirt" entführt beim Stadtrundgang ins 19. Jahrhundert

Krefeld · Beim "Rollenwechsel" schlüpfte Stadtführer Roland Krause in die Rolle von Hermann Ziellenbach.

 Hermann Ziellenbach war zwar deutlich beleibter als Roland Krause, trotzdem konnte der Stadtführer im historischen Gewand seinen Zuhörern einen guten Eindruck vom "Roten Wirten" vermitteln.

Hermann Ziellenbach war zwar deutlich beleibter als Roland Krause, trotzdem konnte der Stadtführer im historischen Gewand seinen Zuhörern einen guten Eindruck vom "Roten Wirten" vermitteln.

Foto: Thomas Lammertz

Der Mann trägt einen schwarzen Gehrock, einen Wollfilz-Zylinder, dazu eine rote Krawatte und ein rotes Einstecktuch: Der "Rote Wirt" Hermann Ziellenbach, wie man ihn sich vorstellt. Aus dessen Leben im 19. Jahrhundert plauderte Roland Krause bei einem Stadtspaziergang der besonderen Art im Gewand der historischen Persönlichkeit. Zuhörer waren die Ehrenamtler der Lebenshilfe Krefeld. Die Einladung war als Dankeschön für ihr Engagement ausgesprochen worden - und sie erfuhren eine Menge über die politischen und sozialen Verhältnisse im 19. Jahrhundert.

Herman Ziellenbach wurde im Juni 1805 in Krefeld geboren und tat sich besonders durch seinen großzügigen Einsatz für die Arbeiterklasse hervor. So jedenfalls schildert es Roland Krause und erzählt, dass der Ziellenbach-Zweig, der bis zum Ende des 20. Jahrhunderts das Geschäft an der Friedrichstraße führte, auch mit der Familie Roeren verwandt war. Und dass die abgerundeten Ecken an dieser Straße Wünsche der Bauherren waren. Aber auch über Hermann Ziellenbach, seine vier Brüder, seine Schwester und seinen einzigen Sohn Mathias berichtet Roland Krause und zeigt Fotos und Zeichnungen aus den alten Zeiten. Hermann Ziellenbach war schon als Mann von knapp 30 Jahren mit einem üppigen Bauchumfang gesegnet. Er war der erste Sohn von Mathias Ziellenbach, der 1804 nach Krefeld kam. Dem ersten Sohn folgen noch weitere fünf Geschwister. Für alle sorgte Vater Matthias: Er beherrschte drei Berufe, in denen er Meister war. In der Breite Straße gründete er dann eine Tischlerei und kaufte Immobilien für die Familie, alle noch im Karree um die Dionysiuskirche.

Am Rande erzählt: Auch Seidenweberbaron de Greiff hatte sich in der Werkstatt des Mathias Ziellenbach umgeschaut. Der eine Tisch war zu hoch, der andere zu niedrig, der dritte zu klein und der vierte zu groß. Nach einiger Zeit lud de Greiff den Tischler zu sich nach Hause ein; er habe jetzt in Düsseldorf einen passenden Tisch gefunden. Und siehe da - es war einer aus der Werkstatt Ziellenbach.

Damals, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, blühte die Stadt: Für einen tüchtigen Schreinermeister gab es gut zu tun. Mathias Ziellenbach zimmerte zum Beispiel auch die Treppen in den Herbertzhäusern für den Bürgermeister in Uerdingen. Sohn Hermann Ziellenbach gründete später eine Schreinerei am Westwall - wo heute "De Druije Patron" seine Eingangstüre öffnet, gingen damals die Schreiner ein und aus.

Nach ein paar Jahren verwandelte er das Haus in eine Wirtschaft. Da der Ziegenbock sein Maskottchen war, nannte er es Bockwirtschaft.

Hermann Ziellenbach engagierte sich für die Textilarbeiter, er war Sozialdemokrat im besten Sinne. Daher der Beiname "Roter Wirt". Die Obrigkeit hatte ihn ständig im Blick und hatte ihm auch eine Gefängnisstrafe aufgebrummt: Er flüchtete in einem Bierfass versteckt nach Holland.

Gut befreundet war er etwa mit Kaspar Imandt, der 1844 den ersten Turnverein in Krefeld gründete - eine Einrichtung, die bis dato gesetzlich verboten gewesen war. Auch zu einem engen Vertrauten von Ferdinand Lassalle bestand eine Verbindung. Der gründete 1863 den ersten Arbeiterverein, Krefeld folgte 1864. Das Datum gilt als Gründungstag der hiesigen SPD.

Von allen diesen Dingen und noch vielen mehr berichtete Roland Krause seinen Zuhörern, mal in der Ich-Form, mal aus heutiger Perspektive. Seine Kenntnisse hat er sich angeeignet: "Ich habe an einem VHS-Kurs teilgenommen, von dem ich in der Zeitung gelesen hatte", sagt Krause. Bis zu seiner Pensionierung war er Polizist; jetzt hat er seine Leidenschaft für die Lokalgeschichte entdeckt.

Für die VHS hat er diese Stadtführung schon im August gehalten - nun kann man ihn auch privat buchen, wenn man Interesse hat. Und das Gute: "Wir konnten jederzeit fragen", sagten die Teilnehmer. Auch Helene Grädler von der Lebenshilfe war beeindruckt: "Ich habe viel erfahren, was ich vorher nicht wusste - und es wurde mit Humor vorgetragen."

Die Reihe Rollenwechsel gehört zum Programm der VHS: Maria Sohmann, Marianne Rhodius, Wilhelm Deuß, Mies van der Rohe sind nur einige der einstigen Prominenten, die aus ihrer ganz privaten Geschichte erzählen - immer mit der Stadtgeschichte im Blick.

Informationen gibt's im Internet unter http://www.vhsprogramm.krefeld.de

(RP)
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