Krefeld Der perfekte Ort - eine Tanzbühne unter der Autobahn 57

Krefeld · Eingerahmt von Bahngleisen und gepflegtem Grün: In "Under the Bridge" verwandeln Performer die Fläche unter der Schönwasserparkbrücke.

 Unter einer Brücke der Autobahn 57 fand die Outdoorperformance des Düsseldorfer Tanzkollektivs Hartmannmueller statt.

Unter einer Brücke der Autobahn 57 fand die Outdoorperformance des Düsseldorfer Tanzkollektivs Hartmannmueller statt.

Foto: Lammertz

Die Kulisse könnte kaum ungewöhnlicher sein: Unter der vielbefahrenen Krefelder Schönwasserparkbrücke der A57, umrahmt von Bahngleisen und gepflegtem Grün eines angrenzenden Schrebergartengeländes fand die Outdoorperformance des Düsseldorfer Tanzkollektivs Hartmannmueller statt. Mit dem einfachen und passenden Titel "Under the Bridge" sind Hartmannmueller die nunmehr dritte Tanzkompanie, die, im Rahmen von Move in Town, Tanz an einem ungewöhnlichen Ort zeigt.

Auf die erwartungsvolle Stille, die bekanntermaßen vor Beginn einer Bühnendarstellung im Zuschauerraum einkehrt, wartet man an diesem Ort vergeblich. Denn die Geräuschkulisse unter der Brücke ist beachtlich. Und dennoch blendet man die Geräusche der über die Brücke fahrenden Autos und vorbeirauschenden Züge im Verlauf der Performance immer wieder aus.

Als Erster betritt Felix Ersig die mit Kieselsteinen ausgelegte Fläche. Zwischen die besprühten Brückenpfeiler stellt er einen Klapptisch und drei Stühle auf. Im nächsten Schritt reiht er Sektgläser auf und füllt diese mit Schaumwein. Während Ersig nun konzentriert einen Metalldetektor über die Steine fährt und einzelne Fundstücke in die Hosentasche seines hellen Anzugs wandern, rollt rückwärts ein schwarzer Edelkombi vor. Es sind die Performer Simon Hartmann und Daniel Ernesto Mueller. Ebenfalls in hell beige Anzüge gekleidet und lässig zum Sound von Benny Goodman's Song "A Smooth One" nickend, nehmen sie sich Zeit für die Ankunft an diesem ungewöhnlichen Ort.

Simon Hartmann holt nach und nach Papierschilder aus dem Kofferraum und verteilt sie auf der gesamten Kiesfläche. Es ist die erste Kontaktaufnahme mit dem Publikum, oder auch die ersten eindeutig entzifferbaren Zeichen an diesem Abend? Das Publikum zeigt sich jedenfalls dankbar für die Mitteilungen auf Papier. Auf den Schildern stehen ironische Warnhinweise wie "Achtung wir kommen", "Hier entsteht ein Bordell" oder im späteren Verlauf der Vorstellung "30 Minuten sind schon rum". Spätestens jetzt sind die Zuschauer voll in das Geschehen involviert, mit jedem neuen Schild wird ein neuer Gedanke freigesetzt, Fragen in den Raum geworfen und Informationen ausgetauscht.

Während Hartmann für die Kommunikation mittels geschriebener Worte zuständig ist, übernimmt Daniel Ernesto Mueller den Part der direkten Zuschaueransprache. Souverän und äußerst charmant pickt er sich einzelne, meist weibliche Zuschauer aus dem Publikum raus, nähert sich ihnen und flüstert ihnen Komplimente ins Ohr, einzelne Zuschauer führt er schließlich zum geparkten Auto und lässt sie einsteigen. Es folgt eine kurze Fahrt zur provisorischen Sektbar, vor besprühtem Sichtbeton nehmen die Auserwählten Platz, schlürfen Sekt und genießen es, Teil dieses ungewöhnlichen Spektakels zu sein. Ein wunderbares, skurriles und fast poetisches Bild, dass Mueller drei Mal wiederholt und jedes Mal aufs Neue amüsiert.

Am Ende der einstündigen Performance ist die Kiesfläche übersät mit weißen Schildern. Es erstreckt sich ein Meer aus humorvollen Statements ("Das ist eine Aktion", "Was sucht der eigentlich?", "Und wir dachten, es kommt keiner"), in das der Zuschauer gedanklich immer weiter eintaucht - stets mit einem Augenzwinkern, denn Ironie ist ein grundlegendes Merkmal der Arbeit von Hartmannmueller. Und so wird auch "Der perfekte Ort" am Schluss der Performance zu einem perfekten Ort - "für Hunde."

Die nächste Performance von Hartmannmueller wird im Rahmen von MOVE! im November 2016 in der Fabrik Heeder zu sehen sein.

(RP)
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