Krefeld Der Mann mit der Mundharmonika

Krefeld · Konstantin Reinfelds Instrument ist die Mundharmonika. Künftig will er an der Musikschule rhythm matters unterrichten.

Konstantin Reinfelds Instrument ist die Mundharmonika. Künftig will er an der Musikschule rhythm matters unterrichten.

Die Geschichte beginnt mit Dieter Bohlen. Als der Popmusik-Produzent 2008 zum zweiten Mal das Supertalent suchte, saß ein 13-jähriger Junge in Krefeld vor dem Fernsehschirm und staunte: Michael Hirte, der die Staffel am Ende gewinnen sollte, beeindruckte den Jungen mit einem Instrument, dessen Klang ihm Gänsehaut machte. "Ich war so fasziniert, dass ich unbedingt auch sofort eine Mundharmonika haben wollte. Das Spielen habe ich mir autodidaktisch beigebracht", erzählt Konstantin Reinfeld. Inzwischen zählt der 21-Jährige zu den bedeutendsten Mundharmonika- oder neudeutsch: Bluesharp-Spielern Deutschlands und genießt auch internationales Renommee. An der hiesigen Musikschule rhythm matters wird er künftig Mundharmonika-Unterricht geben.

Denn so bekannt die Mundharmonika schon als Spielzeug für Kinder ist, so wenig versierte Anleitung gibt es für diejenigen, die das Instrument ernsthaft erlernen wollen. "Es gibt kaum Lehrer. Ich habe mir damals die wenigen Fachbücher besorgt und nach Youtube-Videos vor allem aus Amerika gearbeitet. Ich habe Aufnahmen von mir hochgeladen und zur Kritik gestellt. So habe ich gute Verbesserungstipps bekommen", sagt er.

Die Digitalisierung erleichtert die Netzwerkarbeit, wenn die Gleichgesinnten nur dünn gesät sind. Inzwischen gibt es Mundharmonika-Foren, die Szene ist zwar klein, aber sehr aktiv. Allerdings findet der 21-Jährige kaum Gleichgesinnte in seiner Altersgruppe. Die Bluesharp-Musiker, die in Rock und Folk tonangebend sind, steuern Richtung Rentenalter. "Es ist schade, dass sich Kinder und Jugendliche nicht für das Instrument interessieren. Denn es ist so leicht zu spielen und nach dem Gesang die für uns natürlichste Form der Musik. Sie wird durch Ein- und Ausatmen erzeugt. Es gibt keine Finger, die dazwischen sind. Und der Klang ist auch sehr nah an der menschlichen Stimme", sagt der Experte. Für ihn ist sie das ideale Einsteigerinstrument. Denn eine gute Mundharmonika gebe es bereits ab 30 Euro. "Ich bedauere, dass die Mundharmonika nicht mein erstes Instrument war", sagt Reinfeld. Als Siebenjähriger hat er Klavier gelernt, mit zwölf Jahren Klarinette. Seine Musikalität hat es ihm leichtgemacht, aber um die Instrumente zu beherrschen waren disziplinierte Übungsstunden nötig. Der richtige Fingersatz, die korrekte Mundarbeit - das war nicht immer reines Vergnügen. "Bei der Mundharmonika kann man pusten, ziehen, die Lippen bewegen - und es hört sich von Anfang an harmonisch an. Man atmet durch das Instrument, so kommt sofort eine Bindung zustande." Natürlicher gehe es nicht, findet Reinfeld.

Das Bild vom einsamen Cowboy, der am Lagerfeuer die Prärie mit Blues füllt, löst längst kaum noch Sehnsuchtsschübe aus. Die Coolness seines Lieblingsinstruments wird unterschätzt, findet Reinfeld: "Es gibt nur eine begrenzte Auswahl an Arrangements, oft Seemannslieder und volkstümliche Melodien." Das im frühen 19. Jahrhundert entwickelte Instrument erlebe aber derzeit eine kleine Auftriebswelle. Der mehrfache Grammy-Gewinner Howard Levy ist für Reinfeld "der Revolutionär der Harmonika". Er hat das erste Konzert für Mundharmonika und Orchester geschrieben. "Der ist schon ein Vorbild für mich."

Einen Karriereschub erlebte Reinfeld 2010. Beim Londoner Bluesmusiker Steve Baker belegte er erstmals einen Harmonica Masters Workshop - als Stipendiat. Im selben Jahr wurde er das Gesicht des Instrumentenbauers Hohner, der sich einen neuen, jungen Kundenkreis erschließen wollte. Reinfeld empfindet sich als Botschafter - und als Musiker. Als erster Mundharmonika-Interpret gewann er 2014 den ersten Preis und den Förderpreis bei "Jugend jazzt". Das hatte es in 29 Jahren zuvor nicht gegeben. Und nicht nur als Interpret hat er inzwischen einen klangvollen Namen. Reinfeld komponiert auch und hat bereits zwei Alben veröffentlicht, das jüngste "Algiedi" erschien im vergangenen Jahr.

(RP)
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