Krefeld Der Mann, der Menschenpyramiden baut

Krefeld · Es ist eine erstaunliche Tradition aus Katalonien: Dort gibt es regelrechte Menschenpyramiden-Bauvereine. Für Familien und ganze Dörfer ist es ein Fest, möglichst hohe Menschenpyramiden zu bauen. Ein Katalane war jetzt zu Gast im Berufskolleg Vera Beckers und erklärte, wie viele Menschen man für eine Pyramide braucht.

In Katalonien kennen sie alle - die Castells. Für die Region, die sich schon seit Jahren versucht, sich von Spanien abzuspalten, ist es dabei nicht nur eine ganz besondere Art, Feste zu feiern, sondern auch ein Symbol für eigenständige Kultur. Seit 2010 gehören die Castell genannten Menschenpyramiden sogar zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco. Ihren Ursprung fanden sie im 18. Jahrhundert, damit gehört das Bauen von möglichst hohen Menschenpyramiden seit 300 Jahren zu Kataloniens Kultur. Mehr als 70 Menschenpyramidenbauervereine gibt es in der Region, fast jede Familie ist Mitglied in einem verein. Mehrmals jährlich finden auch Wettbewerbe statt.

 Armand Navarrete (l.) steuert den Aufbau des zweiten Stocks einer Pyramide. Navarrete ist Katalane. In seiner Heimat ist das Pyramidenbauen mit Menschen ein Fest, aber auch eine sportliche Disziplin.

Armand Navarrete (l.) steuert den Aufbau des zweiten Stocks einer Pyramide. Navarrete ist Katalane. In seiner Heimat ist das Pyramidenbauen mit Menschen ein Fest, aber auch eine sportliche Disziplin.

Foto: Thomas Lammertz

Der Verein, der es schafft, den höchsten Turm auf- und anschließend auch wieder sauber abzubauen, ist der Sieger. Die Castellas de Vilafranca, aus dem Heimatort von Armand Navarrete gehören dabei zu den bekanntesten und erfolgreichsten Menschenpyramidenbauern. 1998 errichteten sie erstmals eine Menschenpyramide mit zehn "Stockwerken". Diese war in ihrem "Tronc", dem Stamm der Menschenpyramide, mit jeweils drei Mann besetzt. "Für solch eine Leistung braucht man etwa 700 Menschen und mehrere Stunden" erzählt der Katalane. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint: Jeder Teilnehmer hat im wahrsten Sinne des Wortes eine tragende Rolle. Dabei sind die Körperstatur und das Alter unwichtig. "Ob groß oder klein, jung oder alt - jeder kann mitmachen, und alle werden gebraucht", meint Navarette.

Er selbst begann im verhältnismäßig späten Alter von 20 Jahren mit dem Menschenpyramidenbauen. "Viele nehmen bereits als Kinder an diesen Konstruktionen teil - sie bilden aufgrund ihres Gewichtes und der Beweglichkeit dann die Pom de Dalt, die Spitze der Pyramide", sagt Navarrete. Ältere Menschen hingegen bilden den Zapfen, die sogenannte Pinya. Diese Schicht bindet die meisten Menschen, etwa zwei Drittel. Sie agieren mit Armen und Tüchern, den "Faixes", als Stützer der Pinya.

Auch Armand Navarrete ist ein Stützer. Mit seiner schmalen Statur füllt er die Lücken in der untersten Ebene der Pyramide aus und trägt damit zu einer stabilen Trägermasse bei. Neben dem Gleichgewicht fördert das Pyramidenbauen auch Teamfähigkeit und gegenseitiges Vertrauen, sagt der Fachmann. Aus diesem Grund hält der Katalane die akrobatischen Pyramiden für besonders empfehlenswert für Schulklassen und Unternehmen.

Ähnliche Ansichten teilt auch Erik Schneider, Klassenlehrer am Vera Beckers Berufskolleg. Als er im vergangenen Sommer eine neue 11. Klasse übernahm, engagierte er seinen Freund Armand Navarrete für eine Teambildungsmaßnahme für die neu zusammengewürfelte Schulklasse.

Gemeinsam mit den 35 Schülern der Klasse erarbeitete der Katalane bereits vor einem halben Jahr drei Varianten von Menschenpyramiden. Damals noch dreistöckig. Gestern bildeten die Schüler mit ihrem Mentor erneut zwei Menschenpyramiden, diesmal allerdings nur zweistöckig - es waren zu wenige Schüler gekommen.

(RP)
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