Krefeld De Greiff und das Lesen

Krefeld · Cornelius de Greiff hat nie eine öffentliche Schule besucht; er wurde als Kind aus reichem Hause von Hauslehrern unterrichtet. Erst langsam wurden Lesen und Schreiben zu Kulturtechniken, die die meisten Menschen beherrschten.

 Cornelius de Greiff in der Mediothek - mit einem Buch über sich selbst: geschrieben von Walter Nettelbeck unter dem Titel "Cornelius de Greiff. Ein Seidenfabrikant, der nach dem Tode seine Mitbürger höchlich überraschte".

Cornelius de Greiff in der Mediothek - mit einem Buch über sich selbst: geschrieben von Walter Nettelbeck unter dem Titel "Cornelius de Greiff. Ein Seidenfabrikant, der nach dem Tode seine Mitbürger höchlich überraschte".

Foto: Philip Lethen

1763 haben die Preußen das "Generallandschulreglement" erlassen. Damit sollte die Bildung der Kinder strukturiert und garantiert werden. Das Reglement sah vormittags und nachmittags je drei Stunden Unterricht vor. Es hat mehr als ein Jahrhundert gedauert, bis sich die Idee durchgesetzt hat, dass Kinder durchweg die Schule besuchen sollten. So wäre de Greiff von einer Mediothek heutigen Ausmaßes sehr überrascht gewesen.

An die hochwohllöblichen Krefelder anno domini 2017!

Was für ein Haus der Bücher! Dort sind 200.000 Medien versammelt; die meisten davon Bücher - eine unvorstellbare Zahl. Die vielleicht größte Bibliothek meiner Zeit - die Scheutensche Bibliothek - umfasste 6000 Werke. So viele sind jedenfalls im Katalog - "Findbuch" genannt - aus dem Jahr 1900 vermerkt. Es mögen also weitaus weniger gewesen sein, als der vortreffliche Kaufmann Adam Wilhelm Scheuten (1753-1801) seine Bibliothek im Jahre 1800 der Stadt Krefeld vermachte und so den Grundstock für den ersten Krefelder Leseverein legte, welcher im Jahre 1838 gegründet wurde.

Die unteren Schichten konnten bis tief ins 19. Jahrhundert nur schlecht lesen; und es sind Karikaturen aus der Jahrhundertmitte bekannt, wonach Schülerinnen, die es eigentlich hätten können sollen, nicht mit Namen, sondern mit drei Kreuzen unterschrieben haben.

So ging es nur langsam bergauf mit dem Gebildetsein in Krefeld. Es gab Anfang des 19. Jahrhunderts Zeitungen wie das "Crefelder Wochenblatt"; es gab seit 1780 ein Theater; 1854 wurde gar die von Carl Wilhelm (1815-1873) komponierte Oper "Wacht am Rhein" uraufgeführt. Und als 1855 die "Crefelder Höhere Webeschule" eröffnet wurde, war klar, dass die Stadt für ihre Prosperität gebildete Leute braucht. Andererseits war bei den Webern Kinderarbeit an der Tagesordnung. Dieserhalb haben die Preußen 1839 ein Gesetz erlassen, wonach Kinder in Fabriken und Bergwerken erst ab dem Alter von neun Jahren arbeiten durften und nachts sowie sonn- und feiertags freihaben sollten. Ab neun! Da haben eure Kinder drei Jahre Schule hinter und noch acht Jahre Schule vor sich! Erst 1871 konnten rund 90 Prozent der Menschen im Rheinland lesen und schreiben. Ach, mein Seel, so lange hat es gedauert, bis alle Menschen in unserem Vaterland lesen konnten, und nun höre ich, dass Kinder heute lesefaul werden, immer schlechter verständig das aufzunehmen vermögen, was sie an Gelesenem vor Augen haben - es ist ja fast, als werde mancher freiwillig zum Analphabeten, der doch das Lesen lernen durfte. Seltsame Zeiten! Vielleicht solltet ihr strenger sein. Zu meiner Zeit war nach der Tafel das wichtigste Instrument des Lehrers der Rohrstock. Zu welchem Nutzen und Frommen wurde er noch mal abgeschafft?

So grüßt euch, wackere Bürgerschar, demütigst euer Cornelius de Greiff

(RP)
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