Festival in Krefeld Das waren die Highlights von "Kultur findet Stadt(t)"

Krefeld · Das Wetter meinte es git mit Krefeld und Kultur findet Stadt(t). Schon am Freitagabend war das Wetter zu den Darbietungen der Städtischen Musikschule, der Niederrheinischen Sinfoniker, des Schönhausen-Chors und der Urban Songbirds auf dem Platz an der Alten Kirche freundlich gewesen. Auch am Samstag schien die Sonne auf das Festival, das Krefelds Kulturreichtum zu den Menschen in den Einkaufsstraßen brachte.

Krefeld: Das war Kultur findet Stadt(t) 2016
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Das war Kultur findet Stadt(t) 2016

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Die Königstraße wurde am Samstag zur großen Bühne für die Literatur, und "Sehnsucht" war dabei das Generalthema:

Höchst bemerkenswerte Kleinverlage wie die Edition Oberkassel, der Weidle Verlag und der Straelener Manuskripte-Verlag präsenten ihre Veröffentlichungen, Stadtarchiv und Museum Burg Linn waren vertreten, die Mediothek machte sich mit einem Spiel um die politische Bildung verdient, und am Tisch des Niederrheinischen Literaturhauses, Mitorganisator der Lesebühne, fieberte man bereits dem kommenden Literarischen Sommer (in Krefeld ab 14. Juli) entgegen. Auf der Lesebühne selbst entspann sich im "Literarischen Quartett" mit Petra Diederichs, Brigitte Tietzel, Jens Dirksen und Henning Heske unter anderem ein interessanter Gedankenaustausch über die Figur des Richard in Jenny Erpenbecks Roman "Gehen, ging, gegangen". Der setzt sich zwar beherzt für auf dem Berliner Oranienplatz gestrandete Flüchtlinge aus Afrika ein, entspricht dabei aber keineswegs dem Klischee des selbstlosen Helfers. Auch die jugendliche Kunstform des Poetry-Slam fand hier zum Publikum.

Kultur fürs Auge konnte man vor allem auf der Rheinstraße erleben:

Aus dem Genre Design waren hauptsächlich Angebote aus den textilen und keramischen Bereichen zu sehen. Und stellvertretend für eine Gruppe von acht Fotografen zeigte Kai Fricke seine Fotos von "Lost Places", dem Verfall anheim gegebenen Gebäuden. Die ganze Gruppe stellt ab 19. Juni im KissFish-Atelier aus. Ein Genuss fürs Auge waren ebenfalls die Darbietungen diverser Tanzschulen, zum Beispiel die Mädchengruppen im Grundschulalter der Tanzschule Biggi Klömpkes, und die Erscheinung des hochgewachsenen, mit hüftlangen Dreadlocks geschmückten und traditionell farbenfroh gewandeten afrikanischen Trommlers Aldara Seck, der auch als Sänger und Kinder-Entertainer voll überzeugte. Um die kleinen Bühnen herum hatten sich Institutionen und Initiativen wie die Villa Merländer, der Krefelder Kunstverein, die Freie Kunstakademie Rhein-Ruhr, die Kulturrampe, die Initiative Folkorefest und das gemeinnützige Kabarett "Die Krähen" positioniert.

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Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Auch der klassischen Musik gelang es, sich auf den Straßen und Plätzen der Innenstadt Gehör zu verschaffen:

Gleich wohin man kam, die Städtische Musikschule war mit einem ihrer zahlreichen Ensembles schon da. Schließlich war sie ja auch mit über 450 Mitwirkenden vertreten. Ein besonderer Genuss waren - wie so oft - die Vorträge des Kinderorchesters und des Musiktheaters. Aber auch kleine Blüten gab es zu entdecken, zum Beispiel ein Posaunen-Duo auf einer der Bühnen auf der Rheinstraße, das seinen Auftritt mit einer herrlichen Interpretation von Duke Ellingtons "It Don't Mean A Thing" krönte. Und eine besondere Freude war es zuzusehen, wie auch das öffentliche Proben der Niederrheinischen Sinfoniker auf dem Platz an der Alten Kirche - im Gegensatz zu Freitagabend am Samstag wieder bestuhlt - lebhaften Zustrom und aufmerksames Interesse fand.

Nicht weniger vielseitig und überwältigend war das Angebot an moderner Musik:

Mit "rhythm matters" hat Krefeld zusätzlich zu seiner städtischen auch noch eine hervorragende private Musikschule, und die präsentierte sich auch in diesem Jahr wieder mit einer eigenen Bühne. "Mixturse" und "Dust 21", gerade an der Schwelle zum Teenie-Alter und mithin die jüngsten Bands des Hauses, wussten mit Rock und Pop-Songs bereits richtig mitzureißen. Highlights des Sechs-Stunden-Programms waren die neun "Beautiful Soul Managers", die vor allem dem Wort Soul alle Ehre machten, und die "rhythm matters connection", in der sich die Dozenten an Top 40 Hits austobten. Das alles geschah bei bestem Wetter, und doch war man im Jazzkeller richtig beraten, das Abendkonzert von Waldo Karpenkiels exzellent besetzter Band "Too Funky" nicht, wie geplant, open air, sondern doch im Keller selbst stattfinden zu lassen. Denn kaum hatte die sechsköpfe Truppe zu spielen begonnen, gab es einen heftigen Regenguss. Die Stimmung war dennoch so knackig wie die Musik.

Manches an diesem Kultursamstag war so besonders, dass man es in keine Schublade packen konnte:

So suchte das Haus der Seidenkultur auch dort weiter nach einem Auszubildenden für seine traditionellen Webtechniken, gern auch einen Einwanderer aus Syrien oder Eritrea, der alte Webstühle vielleicht aus seiner Heimat kennt. Einen "City Tree", eher eine umwelttechnische denn eine künstlerische Installation, konnte man am Schwanenbrunnen bestaunen. In eine wuchtig wirkende Stahlblechkonstruktion sind Matten besonders verdichteten, lebendigen Grüns montiert, deren Feinstaubfilterleistung - so das Dresdner Unternehmen Green City Solutions - das Vielfache eines natürlichen Baumes betragen soll. Und während Zuwanderung aus dem Ausland nach Krefeld praktisch täglich Gesprächsthema ist, setzte Theaterintendant Michael Grosse in seiner Lesung in der Mennonitenkirche Äußerungen von Menschen dagegen, die in der Vergangenheit aus unterschiedlichen, den heutigen aber ähnlichen Gründen aus Krefeld nach Übersee auswanderten - hochinteressante Briefauszüge, die Olaf Richter im Stadtarchiv zusammengestellt hatte. Sie legten beredtes Zeugnis ab von den Sehnsüchten, die Menschen aus der Not in die Fremde treiben, und jenen, die einen dort wehmütig an die Heimat denken lassen.

(RP)
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