Krefeld Das Schicksal der Juden von Litzmannstadt

Krefeld · Das ist ein Buch ohne Hoffnung – und fast ein Mahnmal mit seinen vielen kleingedruckten Namen auf dem Umschlag. Sie benennen jene 1003 Juden aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf – darunter 50 Juden aus Krefeld –, die am 27. Oktober 1941 mit dem Zug die Stadt verließen und in das Getto von Litzmannstadt (Lódz) deportiert wurden.

Das ist ein Buch ohne Hoffnung — und fast ein Mahnmal mit seinen vielen kleingedruckten Namen auf dem Umschlag. Sie benennen jene 1003 Juden aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf — darunter 50 Juden aus Krefeld —, die am 27. Oktober 1941 mit dem Zug die Stadt verließen und in das Getto von Litzmannstadt (Lódz) deportiert wurden.

Der Wiener Schriftsteller Oskar Rosenfeld wird es später den "Krepierwinkel Europas" nennen; und für die allermeisten ist es der letzte, finstere Ort ihres Lebens oder eine Durchgangsstation in ein Vernichtungslager. Am Ende des Zweiten Weltkriegs werden von den 1003 Juden zwölf überlebt haben.

Das Besondere an der nun vorliegenden, 436 Seiten starken Publikation mit dem so nüchternen Titel "Düsseldorf / Getto Litzmannstadt 1941": Jedem einzelnen Schicksal wurde nachgegangen. Material unter anderem in Washington, Jerusalem, Warschau und nicht zuletzt im heutigen Lodz war auszuwerten.

Ein ungeheurer Aufwand, den die NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld ideell, die Stadtwerke Krefeld, der Verein für Heimatkunde und der Villa Merländer e.V. finanziell unterstützten. So umfassend ist mit wissenschaftlichen Mitteln noch keine Deportation geschildert worden — von der Vorbereitung des Transportes, zu der auch die Leiterin der Krefelder NS-Dokumentationsstelle, Ingrid Schupetta, geschrieben hat, bis zu den Selektionen im Ghetto.

Das Buch ist eine Rekonstruktion des Ungeheuren. Die 1000 Menschen, zusammengetrieben wie Vieh, kämpften von Beginn ums Überleben. Es ist zwölf Grad Celsius unter Null, als die Juden aus dem Rheinland Ende Oktober im Getto auf polnischem Boden eintreffen. Der erste Schnee ist gefallen. Und aufgrund vieler Verspätungen erreichen sie die zweitgrößte Stadt des Landes — das "polnische Manchester" — erst mitten in der Nacht. Die Unterkunft der 1003 Juden sind zwei leere Schulsäle. Leer meint hier wirklich leer: keine Schränke, Tische oder Stühle, nicht einmal Pritschen stehen bereit.

500 Menschen werden auf jeden Saal verteilt, drei Latrinen gibt es und eine Wasserpumpe im Hof. Geschichtsforscher kennen aus anderen vergleichbaren Schicksalen, dass insbesondere die Juden aus dem Bürgertum solchen Situationen in keiner Weise gewachsen waren. Oft reagierten sie lethargisch, depressiv und unfähig, sich in die furchtbaren Umstände irgendwie einzufinden.

Doch die Gruppe aus dem Rheinland verhielt sich erstaunlicherweise anders, so Angela Genger, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte. Die deportierten Juden aus dem Regierungsbezirk scheinen sehr schnell eine Struktur aufgebaut und Aufgaben verteilt zu haben. Gegenseitige Hilfe — insbesondere beim Ausfüllen überlebenswichtiger Formulare — schien die Regel, nicht die Ausnahme gewesen zu sein.

Dem Buch beigefügt sind viele Dokumente, einschließlich einiger Fotos der Deportierten aus glücklicheren Tagen. Oft sind die gefundenen Informationen über den gewaltsamen Tod in den mobilen Vergasungsanlagen nur indirekt: auf den Brotrationierungskarten sind zu einem bestimmten Daten keine Ausgaben mehr notiert.

Info Angela Genger / Hildegard Jakobs (Hg.): "Düsseldorf / Getto Litzmannstadt 1941". Klartext-Verlag, 436 Seiten, 29,95 Euro. Die Publikation wurde ermöglicht auch mit Unterstützung der Anton-Betz-Stiftung der Rheinischen Post e.V.

(RP)
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