Krefeld Campendonks unterschätztes Spätwerk

Krefeld · Mit seinen Freunden der expressionistischen Künstlergruppe "Der Blaue Reiter" ist Heinrich Campendonk berühmt geworden. Dass die Kunstwelt das Spätwerk des Krefelder Künstlers bislang unterschätzt hat und nun erst neu entdeckt, erklärte die Campendonk-Expertin Gisela Geiger jetzt auf Einladung des Vereins Villa Merländer.

 Ein bewegender Moment für Gisela Geiger: In der Villa Merländer besichtigt sie das Wandbild Heinrich Campendonks. Es wurde 1925 gemalt. Damals lag die Zeit des "Blauen Reiters", die ihn berühmt gemacht hat, bereits hinter ihm. Campendonk zeigt bereits die für ihn wichtigen Symbole wie die Spielkarten.

Ein bewegender Moment für Gisela Geiger: In der Villa Merländer besichtigt sie das Wandbild Heinrich Campendonks. Es wurde 1925 gemalt. Damals lag die Zeit des "Blauen Reiters", die ihn berühmt gemacht hat, bereits hinter ihm. Campendonk zeigt bereits die für ihn wichtigen Symbole wie die Spielkarten.

Foto: Thomas Lammertz

Der Reichtum in Heinrich Campendonks Bilderwelt überwältigt Gisela Geiger jedes Mal aufs Neue. Dabei kennt sie sich aus mit der reichen Symbolik, der Wirkung von ausgefeilten Farbdurchlässigkeiten und dem typischen Campendonk-Leuchten. Geiger ist Leiterin des Stadtmuseums Penzberg und Leiterin der Campendonk-Sammlung. Seit 2001 bildet das Werk des gebürtigen Krefelders den Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Der Campendonk-Nachlass, der 2010 zum Erwerb stand, hat dort seine Heimat gefunden. Seitdem sind die Beziehungen zwischen der Seidenstadt und der oberbayerischen Kleinstadt intensiviert.

 Links: Das vielleicht berühmteste späte Werk Campendonks: ein Selbstbildnis von etwa 1951. Campendonk stellt sich als Künstler mit Narrenkappe dar. Das Bild ist zurzeit in Ahlen zu sehen.

Links: Das vielleicht berühmteste späte Werk Campendonks: ein Selbstbildnis von etwa 1951. Campendonk stellt sich als Künstler mit Narrenkappe dar. Das Bild ist zurzeit in Ahlen zu sehen.

Foto: VG Bild-Kunst

"Warum Campendonk?" nannte sie ihren Vortrag, den sie auf Einladung des Vereins Villa Merländer hielt - an einem Ort, den sie ganz besonders spannend findet. In der Villa an der Friedrich-Ebert-Straße, dem ehemaligen Wohnhaus des Kaufmanns Richard Merländer, hat Campendonk wundervolle Wandmalereien geschaffen. "Was haben Sie für einen Schatz. Es macht mich stolz, hier über Campendonk zu sprechen", sagte Geiger. Und dabei vertrat sie eine These, die in der Kunstwelt ungewöhnlich ist: Nicht die Jahre mit der expressionistischen Künstlergruppe "Der Blaue Reiter", die den gebürtigen Krefelder vor dem Ersten Weltkrieg neben Wassily Kandinsky und Franz Marc berühmt gemacht haben, waren die große Zeit für den Künstler Campendonk, sondern sein Spätwerk. Jene Arbeiten, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg im Exil in Amsterdam geschaffen hat, sprechen junge Leute stark an, sagte Geiger. "Meiner Generation sind diese Arbeiten vielleicht noch zu nahe. Die Rezeption ändert sich ja in der übernächsten Generation", sagt sie. Die beeindruckende Farb- und Lichtregie hat Campendonk in seinen späten Arbeiten vervollkommnet. Die Farben sind flächiger geworden. Seine Symbole, die Kuh, die für Geduld und Ausdauer steht, die christlichen Zeichen, der Pierrot und die Spielkarten tauchen immer wieder auf. Doch erreicht Campendonk in späten Jahren eine metaphysische Bildsprache. "Campendonk hat etwas zu sagen", betont Geiger.

Nicht zuletzt deshalb, weil er sich künstlerisch ständig weiterentwickelt hat. Heinrich Campendonk, 1889 in Krefeld geboren, brach 1905 seine Lehre der Textilkunde ab und schlug an der Werkkunstschule den künstlerischen Weg ein. Sein Lehrer Jan Thorn Prikker hat ihn beeinflusst. Kunstexperten spüren auch in späten Campendonk-Bildern noch die Auseinandersetzung mit dem alten Lehrer auf - motivisch und technisch. Geiger berichtete, wie sehr Campendonk sich für Einflüsse am Beginn seiner Karriere öffnete, wie er mit Techniken experimentierte. 1909 knüpfte er erste Kontakte zum "Blauen Reiter", der ihm die Tür zur großen Kunstwelt eröffnete: Einflüsse aus Paris, Expressionismus, Kubismus und etliche neue Einflüsse sog er auf, um einen eigenen Stil zu finden. Und der sei unfälschbar, findet Geiger: "Wenn jemand meint, Herr Beltracchi habe Campendonk gut gefälscht, dann sollte er einen einfachen Test machen: Er legt eine zwei mal zwei Zentimeter große Schablone aufs Bild. Bei Campendonk sind so viele Farbebenen und Effekte zu sehen, das würde jede Fälschung entlarven."

Und dieser meisterliche Umgang mit Licht und Farbe zeigt sich auch in den Hinterglasmalereien. Eine höchst diffizile Technik. Weil hier die Farbschichten quasi in umgekehrter Abfolge direkt aufs Glas aufgetragen werden - nicht der letzte Strich ist im Vordergrund zu sehen, sonder der erste.

Als Student hat Campendonk sich mit Hinterglasmalerei beschäftigt, für die sein Lehrer Thorn Prikker berühmt war. Und bis zu seinem Lebensende hat er sie gepflegt. Als er 1923 aus Bayern zurückkehrte und wieder nach Krefeld kam, hat das Kaiser-Wilhelm-Museum ihm eine Ausstellung gewidmet, die nur Hinterglasmalerein zeigte. "In der Penzberger Sammlung haben wir zehn Exponate", sagt Geiger. "Aber ich bin auf der Suche nach mehr und freue mich über jede Nachricht." Wenn das Stadtmuseum Penzberg, das derzeit umgebaut wird, im April 2016 wieder öffnet, soll es einen Raum geben, der nur diesen Arbeiten gewidmet ist. Weil es so wenige Experten für dieses Genre gibt, startet Geiger dazu ein Forschungsprojekt.

Ausstellung: Das Museum in Ahlen zeigt zurzeit "Zwischen Traum und Wirklichkeit. Heinrich Campendonk - die Penzberger Sammlung". Am Donnerstag, 16. Juli, bietet Ingrid Schupetta mit Unterstützung des Vereins Villa Merländer eine Fahrt zur Ausstellung an. Anmeldung bis zum 13. Juli unter Telefon 02151 503553 oder E-Mail an ingrid.schupetta@krefeld.de.

(RP)
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