Krefeld 75. Todestag: Heinrich Nauen - der Kerzianer

Krefeld · Der in Krefeld geborene Expressionist wurde als Lehrender von den Nazis aus der Kunstakademie vertrieben - seine Bilder galten als entartet.

Heinrich Nauen und Marie von Malachowski-Nauen mit Töchterchen Nora im Jahr 1910. Ein Jahr später zog das Künstlerpaar nach Dilborn.

Heinrich Nauen und Marie von Malachowski-Nauen mit Töchterchen Nora im Jahr 1910. Ein Jahr später zog das Künstlerpaar nach Dilborn.

Foto: BUSCH

Vom Krieg hatte der berühmte Krefelder Maler Heinrich Nauen, der morgen seinen 75.Todestag hat, die Nase voll: Nach einer Gasvergiftung als Soldat im Ersten Weltkrieg war er für den Wehrdienst untauglich. Auch aus persönlicher Betroffenheit wuchs in ihm die Überzeugung, dass Konflikte nicht mit Gewalt zu lösen seien.

Während des Zweiten Weltkriegs gehörte der Krefelder Sohn einer Bäckerfamilie zwar nicht zum Widerstand, aber zu einer Gruppe, die sich Kerzianer nannte. Die Runde scharte sich um Ewald Mataré, dem früheren Direktor der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf, und Werner Witthaus, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins Deutscher Werkbund. Sie trafen sich regelmäßig in Büderich - zunächst öffentlich im alten Bahnhof an der K-Bahn-Trasse, dann in Witt-haus' Privaträumen im Schloss Haus Meer. In den geselligen und weinseligen Runden wurde ein offenes Wort geschätzt, das nicht für jedermanns Ohren bestimmt war. Die Abende endeten regelmäßig mit dem gemeinsamen Singen "die Gedanken sind frei". Beteiligt waren als ständige oder gelegentliche Gäste neben Pfarrern und Künstlerkollegen auch der Krefelder Fabrikant Fritz Steinert und der Künstler Heinrich Campendonk. Mataré, Nauen auch Campendonk - alle übernahmen Lehrtätigkeiten an der Staatlichen Kunstakademie und wurden von den Nazis abgesetzt. Ihre künstlerische Ausdrucksform galt als "entartete Kunst", ihre Bilder wurden aus dem öffentlichen Raum entfernt.

Heinrich Nauen ist am morgigen Tag genau vor 75 Jahren in Kalkar am Niederrhein gestorben. Den Grabstein schuf ein anderer bekannter Krefelder Künstler - Joseph Beuys. Der Entwurf stammte von Mataré. Der Bildhauer war der Lehrer des großen Provokateurs Beuys', der während seines Studiums zahlreiche Hilfstätigkeiten für seinen Professor erledigte. Eher unbekannt ist die Anekdote, nach der Beuys die Mosaiksteinchen aus dem Schwimmbad des Stahlbarons Becker sorgsam abklopfen musste. Jene Mosaiksteine, die Mataré für seine Türen am Kölner Dom verwendet hat. Das Stahlwerk Becker wiederum stand in Willich und dort, wo heute der Krefelder Hafen als logistisches Drehkreuz Waren umschlägt. Die hunderttausende Goldmark teure Becker-Villa stand in Meererbusch. Das ist die Villengegend in Büderich, dessen Realisierung als Gartenstadt mit riesigen Grundstücken von den Krefelder Seidenbaronen von der Leyen zu Beginn des 20. Jahrhunderts angestoßen worden war.

Zurück zu Heinrich Nauen: Für den Krefelder stand früh fest, dass er Künstler werden wolle. Bereits als 16-Jähriger setzt er durch, eine Lehrstelle bei dem Kirchen- und Dekorationsmaler Wilhelm Pastern zu erhalten. Danach ging er die Karriere akademisch an, studierte in Düsseldorf, München und Stuttgart, machte dann Station in der Nähe von Gent, Berlin und Paris. Er beschäftigte sich mit dem Impressionismus und den Bildern Vincent van Goghs'. Er organisierte sich in Vereinen, Gruppen und Verbänden, und er schloss Freundschaften unter anderem mit Emil Nolde. Der Erfolg war zunächst trotz aller Anstrengung bescheiden.

Erst zurück am Niederrhein in seinem Atelier in Oerbroich in Hüls fand er seinen künstlerischen Weg, der ihn in den Rang eines der bedeutendsten Vertreters des Rheinischen Expressionismus führen sollte. Sein großformatiges Bild "Die Ernte" brachte ihm die Anerkennung von Henri Matisse - dem neben Pablo Picasso wohl bekanntesten Künstler der Klassischen Moderne. Matisse beließ es nicht nur bei lobenden Worten, sondern schrieb Nauen einen Brief mit lobendem Inhalt. Nauen verließ Berlin jetzt endgültig und zog mit seiner Frau Marie von Malachowski ins Schloss Dilborn nach Brüggen.

Öffentliche Anerkennung ließ nicht lange auf sich warten. 1914 organisierte der führende Avantgarde-Kunsthändler Alfred Flechtheim die erste Einzelausstellung von Nauen in Düsseldorf. Und die gleich mit seinem Hauptwerk - wie sich natürlich erst später herausstellen sollte - dem heute im Besitz des Krefelder Kaiser Wilhelm Museums befindliche Gemäldezyklus aus sechs großformatigen Bildern für die Burg Drove in Düren. Weitere Bilder Nauens, der einen Großteil seiner Arbeiten in einer Phase der Resignation und Frustration selbst zerstört hatte, sind heute unter anderem im Museum Abteiberg in Mönchengladbach, im Wallraff-Richartz-Museum in Köln, im Museum Kunstpalast in Düsseldorf, im Kunstmuseum Bonn, in Hagen, Neuss und Kalkar zu sehen. Dort starb Nauen am 26. November 1940 an Magenkrebs.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Im Dienste der Kunst
Tatjana Kimmel leitet den Verein „Freunde des Kunstpalastes“ Düsseldorf Im Dienste der Kunst
Aus dem Ressort