Kr Wie Krefeld 40 Jahre Seidenweberhaus - ein epochaler Irrweg

Krefeld · Die UWG feiert das Seidenweberhaus als "Ikone der 70er". Es stimmt: Das Haus ist eine Ikone der 70er, aber eine, die für einen Irrweg steht.

Vor 40 Jahren wurde das Seidenweberhaus in Betrieb genommen - viel Zeit in einem Menschenleben. Und so speist sich der liebevolle Blick auf dieses Gebäude in der Regel aus den Erlebnissen, die man dort hatte: All die, die in den 70ern Teenager oder sonstwie ziemlich jung waren, verbinden mit diesem Haus das Gefühl von Modernität, Jugend, von ersten Küssen und und rauschenden Feten.

Nur: Machen solche Erinnerungen dieses Haus bewahrenswert? Mit dieser Begründung müsste man jeden Partykeller unter Denkmalschutz stellen. Politisch macht sich vor allem die UWG für die Unterschutzstellung des Seidenweberhauses stark. Der Bau sei "spannend", eine "70er-Ikone". Das mag sogar stimmen, nur stehen eben die 70er Jahre architekturhistorisch auch für das, was man heute als Bausünde empfindet.

Die Fachkritik am Seidenweberhaus ist hinlänglich bekannt: Es ist demnach eine Beton gewordene Desorientierung des Raumes; die städtebauliche Integration ist nicht stimmig; das Gebäude schottet sich zur Stadt hin ab und durchschneidet wichtige Blickachsen. So bietet es keine Behaustheit, keine Wegweisung, keinen Trost. Dass die Durchgänge stinken, dreckig, dunkel und unheimlich sind, unterstreicht: Dieses Haus, das nur in den Entwürfen verspielt und leicht wirkt, ist in der Realität abweisend und unpraktisch. Insofern ist der Bau tatsächlich eine Ikone - für einen Irrweg.

Das Unschöne ist: Die Debatte darüber ist irrelevant. Über die Denkmalwürdigkeit entscheidet in einem intransparenten Verfahren eine Handvoll Beamte, die vor niemandem Rechenschaft ablegen müssen. Das Denkmalrecht atmet in dieser Hinsicht den Untertanengeist des 19. Jahrhunderts. Dahinter mögen die bitteren Erfahrungen aus den 60- und 70er Jahren stehen, als in Deutschland Dinge abgerissen wurden, deren Fotos einem heute Tränen des Bedauerns in die Augen treiben. Aber die Einsamkeit strikter Beamtenentscheidungen ist das andere, auch nicht mehr zeitgemäße Extrem. Das Denkmalrecht gehört reformiert, die fachliche Entscheidungen auf breitere Füße gestellt. Für Krefeld kann man nur hoffen, dass das Seidenweberhaus denkmalfrei bleibt. Dieser Bau ist wie Mehltau einer vergangenen Epoche. Die Stadt sollte die Freiheit haben, dort neu anzufangen.

(RP)
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