Korschenbroich Wo früher das Gericht in Pesch tagte

Korschenbroich · Das Fachwerkhaus Am Dyckershof steht auf geschichtsträchtigem Grund: Dort wurde Recht gesprochen, der Pranger stand gegenüber. Zeitgenössische Dokumente reichen bis ins 13. Jahrhundert. Heute lebt dort der Vize-Bürgermeister.

 Die rote Pumpe vor dem restaurierten Fachwerkhaus Am Dyckershof in Pesch erinnert noch an alte Zeiten ohne Badezimmer. Das Wasser wurde damals noch auf einem Feuer erwärmt und zum Baden in eine Zinkwanne gegossen.

Die rote Pumpe vor dem restaurierten Fachwerkhaus Am Dyckershof in Pesch erinnert noch an alte Zeiten ohne Badezimmer. Das Wasser wurde damals noch auf einem Feuer erwärmt und zum Baden in eine Zinkwanne gegossen.

Foto: Ilgner

"Anno 1614" ist in den Holzbalken eingeschnitzt, den Hans-Willi Türks bei Renovierungsarbeiten an seinem historischen Fachwerkhaus Am Dyckershof in Pesch entdeckt hat. Ob das Baujahr des Wohnhauses und die Jahreszahl auf dem Balken tatsächlich übereinstimmen, oder ob der Balken aus einem älteren Vorgängerbau stammt, weiß er aber nicht. Möglich wäre das schon: Denn das Grundstück Ecke Blecherstraße/Am Dyckershof, auf dem heute der Hof von Hans-Willi Türks steht, war schon vor mehr als 750 Jahre bebaut. Dort befand sich einst der Kehre-Hof, der seinen Namen der Lage an einer Straßenkehre verdankte. Urkundlich erwähnt wurde der Hof erstmals 1263.

Aus dem Dokument geht hervor, dass Ritter Hermann von Immelhuisen den Kehre-Hof mitsamt den Herrschaften Pesch und Weinmark und der Gerichtsbarkeit dem Herren von Myllendonk zum Lehen auftrug. Damit begab er sich unter den Schutz der Herren von Myllendonk und verpflichtete sich zugleich zu Hilfeleistungen. Seitdem spielte der Kehre-Hof in der verwickelten Geschichte von Pesch, im Kampf um die Pescher Selbstständigkeit und in der jahrhundertelangen Auseinandersetzung zwischen den Herrschaften von Myllendonk, Haus Horst und Liedberg eine bedeutende Rolle. Der Kehre-Hof bildete zusammen mit 16 abhängigen Stammhöfen eine Grundherrschaft mit Selbstverwaltung und einem eigenen Gericht. Gerichtsverhandlungen fanden damals öffentlich und an einem "gebührlichen Ort" statt, wie es in Urkunden heißt. Das konnte unter Lindenbäumen sein oder vor der Kirche. In Pesch trat das Gericht noch im 17. Jahrhundert auf dem Kehre-Hof zusammen, da es in der Honschaft weder eine Kirche noch ein Rathaus gab.

Das Gefängnis und der Pranger befanden sich direkt gegenüber der Hofanlage. Der Pranger, so beschrieb es Heimatforscher Jakob Bremer, bestand aus einer mächtigen Holzsäule mit Kette und Halsband, die vom Wappen des Gerichtsherren bekrönt war. Wer zum Pranger verurteilt wurde, musste über Stunden oder Tage angekettet an der Holzsäule stehen. Hinrichtungen wurden auf dem Kehre-Hof aber nicht vollzogen, sondern an der Engbrück auf dem Wolfsfelde.

Um 1800 erwarb Jacob Türks die ehemalige vierflügelige Hofanlage, und seitdem befindet sie sich in Familienbesitz - aktuell in der sechsten Generation.

Hans-Willi Türks ist dort zusammen mit fünf Geschwistern aufgewachsen. Schön sei die Zeit mit der großen Familie gewesen, sagt er und erzählt schmunzelnd von Familienfeiern, von Hausschlachtungen in der Waschküche, bei denen er den Topf mit dem Panhas ausschaben durfte, und von einem längst zugeschütteten Vorratskeller, in dem seine Eltern im Frühjahr Steine und Bretter auslegten, wenn das Grundwasser anstieg. Und die rote Pumpe vor dem restaurierten Fachwerkhaus erinnert noch an die Zeiten ohne Badezimmer, als samstags Badetag war und das auf einem Feuer angewärmte Badewasser in eine Zinkwanne gegossen wurde.

(NGZ)
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