Korschenbroich "Traube"-Abriss: Heimatforscher schlägt Alarm

Korschenbroich · Viel ist nicht mehr übrig vom Restaurant "Zur Traube", dessen Geschichte bis in das Mittelalter zurückreicht. Schon 1386 gab es dort ein Weinhaus mit alleinigem Weinausschankrecht. Da tagte auch das Gericht. Heute steht nur noch die Außenfassade des Traditionsgasthauses, hinter ihr türmen sich Berge von Bauschutt. Sein Abriss hat den Heimatverein Kleinenbroich sowie den Heimatforscher Heinz-Walter Gerresheim (77) aus Büttgen alarmiert: "Vor dem Abriss hätte die Untere Denkmalbehörde hier Bauforschung betreiben müssen", wirft er der Stadtverwaltung vor. "Denn in dem Gebäudekern wurden Balken verbaut, die aus dem 16. Jahrhundert stammen", sagt er.

 Von der Traditionsgaststätte "Zur Traube" in Kleinenbroich ist nicht mehr viel zu erkennen. Zwischen Bergen von Bauschutt hat Heimatforscher Heinz-Walter Gerresheim zwei wertvolle Balken sicherstellen können.

Von der Traditionsgaststätte "Zur Traube" in Kleinenbroich ist nicht mehr viel zu erkennen. Zwischen Bergen von Bauschutt hat Heimatforscher Heinz-Walter Gerresheim zwei wertvolle Balken sicherstellen können.

Foto: H. P. Reichartz

Regelmäßig ist er vor Ort auf der Baustelle, um den Abriss fotografisch zu dokumentieren. Mit dem Einverständnis des Bauunternehmers und der Stadtverwaltung hat er zwei Balken sicherstellen können. Einer davon weist Brandspuren auf, die vermutlich aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs stammen, als ein Vorgängerbau des Gasthauses abbrannte. Den Balken mit den Brandspuren hat er von einem Jüchener Dendrologen untersuchen lassen. "Er hat den Balken in das 16. Jahrhundert datiert", sagt Gerresheim. Eine Radiocarbondatierung allerdings, die endgültig Sicherheit über das Alter des Balkens bringen würde, steht noch aus.

Als das Gasthaus um 1660 wieder aufgebaut und 1729 nochmals erweitert wurde, hat man den Balken mit den Brandspuren ein zweites Mal verbaut. Dieser Gebäudekern aus dem 17. und 18. Jahrhundert ist jetzt dem Abrissbagger zum Opfer gefallen: "Ich konnte genau die ursprünglichen Balkenkonstruktionen erkennen", sagt Gerresheim gegenüber unserer Redaktion. Er hofft, dass die Untere Denkmalbehörde und das Amt für Bodendenkmalpflege vor Ort sein werden, wenn die Ausschachtungsarbeiten für die drei geplanten Mehrfamilienhäuser beginnen: "Dann werden wir vermutlich noch Fundamente des historischen Gebäudekerns und den Gewölbekeller finden", sagt er. Den Einstieg in den Keller hat er schon im hinteren Teil des Geländes lokalisiert.

Bei der Stadtverwaltung zeigt man sich sensibilisiert: "Wenn etwas gefunden wird, werden wir den Bau stoppen und die Untere Denkmalbehörde sowie das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege hinzuziehen. Der LVR wird dann Vorschläge unterbreiten, wie mit den Funden verfahren wird", sagt Pressesprecherin Annette Lange auf Anfrage. Doch Gerresheim bleibt skeptisch: Zu oft habe er in der Vergangenheit erlebt, dass die Vermarktung von Grundstücken über den Denkmalschutz gestellt wurde, sagt er. Auf dem Areal der ehemaligen "Traube" werden 24 Wohnungen für 5,2 Millionen Euro gebaut.

Noch etwas treibt ihn um: der Verbleib eines Grenzsteins mit dem Wappen des Jan van Werth. Während ein erster Grenzstein schon vor Jahren gestohlen wurde, verschwand ein zweiter während der Abrissarbeiten. "Ein so seltenes Denkmal gehört nicht in private Hände", sagt Heinz-Walter Gerresheim.

(NGZ)
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