Korschenbroich "Lob der Faulheit" im Sandbauernhof

Korschenbroich · Texte und Musik aus verschiedenen Epochen rund ums Thema Müßiggang.

 Texte und Musik zum Müßiggang: Robert Scholtes (l.) und Wolfgang Wittmann traten beim Kulturabend im Sandbauerhof auf.

Texte und Musik zum Müßiggang: Robert Scholtes (l.) und Wolfgang Wittmann traten beim Kulturabend im Sandbauerhof auf.

Foto: Detlef Ilgner

Robert Scholtes aus Aachen und Wolfgang Wittmann aus Erkelenz kamen auf Einladung des Büchereisystems Korschenbroich mit einer Mission in den Liedberger Sandbauernhof: Ihr Programm "Lob der Faulheit" war der Versuch der Rehabilitierung des Müßiggangs anhand von Texten aus allen Epochen, eingebettet in Musik, die das Duo teils selber komponiert hat. Rita Höges, Leiterin der Bücherei St. Andreas Korschenbroich, war nicht überrascht, dass der Sandbauernhof ausverkauft war. "Es ist die 22. Veranstaltung des Büchereisystems", sagte Höges.

Gleich nach ihrer Begrüßung sollte sich anderthalb Stunden lang alles um den in der Leistungsgesellschaft so verpönten Begriff "Faulheit" drehen und um die etwas gemäßigtere Formulierung "Müßiggang". Die Aufgaben waren klar verteilt: Robert Scholtes (53), der an der Kreismusikschule in Heinsberg arbeitet, war für die Musik am Keyboard zuständig. Wolfgang Wittmann (66) las beziehungsweise trug Texte vor, griff immer wieder zur Gitarre und einmal auch zur Mundharmonika. Als pensionierter Gymnasiallehrer und damit als Betroffener erinnerte Wittmann an den "fleißigen Gazprom-Mitarbeiter Gerhard Schröder, der Lehrer als ,faule Säcke' bezeichnet hatte".

Welch' große Verachtung einem Nichtstuer entgegengeschleudert wurde, machte das Duo am Beispiel von Joseph von Eichendorff's "Aus dem Leben eines Taugenichts" fest: Nachdem sein Vater ihn an die frische Luft gesetzt hatte, begann er seine Freiheit augenblicklich zu genießen. "Faulheit ist das verächtlichste Laster", war sich Immanuel Kant sicher. "In der Neuzeit wurde die Bedeutung der Arbeit enorm aufgewertet, zum Beispiel durch Karl Marx", sagte Wittmann. "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen", stand in der ersten Verfassung der Sowjetunion. Das wohl deutlichste Plädoyer gegen überflüssigen Stress enthält die Kurzgeschichte "Der kluge Fischer" von Heinrich Böll: Köstlich, wie ein Tourist dem soeben erwachten Fischer eine Expansion seines Geschäfts einreden wollte mit der Begründung, dann Zeit zu haben, um in der Sonne rumliegen zu können. "Das kann ich schon jetzt", sagte der Fischer.

Wem Böll nicht reicht: Für Aristoteles schließen sich Arbeit und Tugend aus, Franz Hessel (1880 bis 1941) empfahl den "Spaziergang als Form der Müßigkeit", und der türkische Schriftsteller Yusuf Atilgan schrieb "Der Müßiggänger". Wittmann setzte noch einen drauf und rückte das Vorurteil zurecht, Ameisen oder Bienen seien besonders fleißig. Auch sie sind Müßiggänger, "arbeiten" nur so viel wie nötig.

(barni)
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