Korschenbroich Liedberger empört über Abschiebung

Korschenbroich · Sie waren im Heimatverein engagiert, haben in der Bibliothek und in der Kita mitangepackt: Jetzt wurde die armenische Familie nach drei Jahren in Liedberg abgeschoben. Die Polizei legte dem Opa sogar Handschellen an.

 Diese Liedbergerinnen stellen sich für das ganze Dorf hinter die abgeschobenen Flüchtlinge aus Armenien: Sie kritisieren, dass eine Familie, die sich so außergewöhnlich um Integration bemüht, des Landes verwiesen wird.

Diese Liedbergerinnen stellen sich für das ganze Dorf hinter die abgeschobenen Flüchtlinge aus Armenien: Sie kritisieren, dass eine Familie, die sich so außergewöhnlich um Integration bemüht, des Landes verwiesen wird.

Foto: d. Ilgner

Jaqueline Kubissa ist fassungslos. Zwei Tage bevor die Flüchtlingsfamilie aus ihrer Wohnung im Hildegundisheim in Steinhausen von der Polizei mit Handschellen abgeführt wurde, hatte sie noch einen geselligen Abend mit den gastfreundlichen Armeniern verbracht. "Die Familie war im Dorf total integriert. Überall, wo Hilfe nötig war, waren der Großvater und seine Söhne zur Stelle. Und jetzt werden sie einfach von heute auf morgen aus der Gemeinschaft gerissen. Das darf nicht sein", sagt die Liedbergerin. Sie und viele weitere Dorfbewohner prangern die Art und Weise der Abschiebung an.

Am Montag wurde der Großvater der Familie von Polizisten mit Handschellen aus der Wohnung im Hildegundisheim geholt. Einen seiner Söhne, die Schwiegertochter und die beiden Enkelkinder nahmen die Beamten ebenfalls mit. Laut Aussage der Ausländerbehörde des Rhein-Kreises habe einer der Beteiligten versucht, die Maßnahme zu unterbinden und zu stören.

"Im Rahmen der Vollzugshilfe legten ihm die Polizeibeamten daher Handfesseln an und führten ihn aus dem Haus", sagt Rheinhold Jung von der Pressestelle des Rhein-Kreises. Die Stadt Korschenbroich hält sich zurück. "Das liegt nicht in unserem Aufgabenbereich", heißt es aus dem Rathaus. Die Polizei bestätigt zwar den Einsatz am Montagnachmittag, betont aber, lediglich Vollzugshilfe geleistet zu haben.

Kinder der Katholischen Kindertagesstätte St. Georg Liedberg, die sich direkt nebenan befindet, mussten das Szenario mitansehen. Für Kita-Leiterin Martina Dumstorff ist diese Vorgehensweise nicht nachzuvollziehen. "Ich wurde über den Einsatz nicht informiert. Weil keine Polizeiwagen vorgefahren sind, waren die Kita-Kinder zu dem Zeitpunkt der Abschiebung draußen und mussten mitansehen, wie die Familie von der Polizei abgeführt wurde", erzählt sie aufgebracht. Auf die Menschenwürde der Flüchtlinge hätten die Polizisten keine Rücksicht genommen.

"Ich habe die Einsatzkräfte angeschrien, dass es unmenschlich ist, wie sie mit der Familie umgehen. Interessiert hat das niemanden", fügt Martina Dumstorff hinzu. Die Kita-Leiterin kann noch immer nicht begreifen, was sich am Montag auf der Hildegundisstraße abgespielt hat: "Wenn wir als Erwachsene schon nicht verstehen können, was da mit der Familie passiert ist, wie sollen es erst die Kinder?"

Die Flüchtlingskinder im Alter von sechs und drei Jahren hatten Freunde in der Kita gefunden und seien fest integriert gewesen. Für Eva Beckers aus Liedberg, deren Söhne die Kinder ebenfalls gut kennen, ist die Vorgehensweise nicht nachzuvollziehen: "Eine Familie, die sich so fürs Dorf einsetzt und und von Anfang an um Integration bemüht war, darf nicht abgeschoben werden."

Ähnlich sieht das auch Horst Baumgart vom Liedberger Heimatverein. Er kann nur Gutes über die Armenier erzählen: "Die Familie war immer äußerst hilfsbereit." Besonders der Großvater, ein Ingenieur, war im Dorf äußerst beliebt. "Er hat regelmäßig in der Bibliothek geholfen, sich in der Kita engagiert sowie den Parkplatz vorm Hildegundisheim sauber gehalten", betont Eva Beckers. Sie hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Brief geschrieben, um auf die Missstände in der Asylpolitik aufmerksam zu machen.

Fest steht aber auch, dass die Familie bereits seit Mai 2015 ausreisepflichtig war. Weil sie trotz mehrfacher Hinweise der Ausländerbehörde des Rhein-Kreises die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise nicht genutzt hat, musste die bestehende Abschiebeandrohung vollzogen werden", sagt Reinhold Jung.

(NGZ)
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