Korschenbroich Hirnzellen sterben - und das ist gut so

Korschenbroich · Der Neurobiologe und Meister im Science Slam Henning Beck eröffnete das Literaturfestival "Korschenbroich liest".

 Witzig, unterhaltsam, vom Fach: Der Neurobiologe Henning Beck räumte mit Mythen auf. Die achte Auflage der Veranstaltungsreihe "Korschenbroich liest" steht unter der Überschrift "Zeitreisen".

Witzig, unterhaltsam, vom Fach: Der Neurobiologe Henning Beck räumte mit Mythen auf. Die achte Auflage der Veranstaltungsreihe "Korschenbroich liest" steht unter der Überschrift "Zeitreisen".

Foto: Detlef Ilgner

Das Lesefestival "Korschenbroich liest" hat sich einen festen Platz im sommerlichen Terminkalender der Literaturfreunde der Region erobert. Die achte Auflage der Veranstaltungsreihe steht unter der Überschrift "Zeitreisen" und nimmt die Besucher in zwanzig Veranstaltungen bis November mit auf die Suche nach der verlorenen und wiedergefundenen Zeit. Den Auftakt machte am Freitagabend im Foyer der Sparkasse in Korschenbroich der Neurobiologe Dr. Henning Beck, der sich auch Deutscher Meister im Science Slam nennen darf. Diesen Titel trägt er völlig zu recht, wovon sich die rund 250 Gäste bei einem ausgesprochen unterhaltsamen Vortrag überzeugen konnten.

Science Slam ist die Variante des Dichterwettstreits Poetry Slam, setzt sich mit wissenschaftlichen Themen auseinander. Becks Thema ist einerseits hochkomplex und gibt andererseits zu populären Mythen Anlass: Der Neurobiologe beschäftigt sich mit dem menschlichen Gehirn, dem letzten großen Rätsel unserer eigenen Biologie, wie er sagt. In seinem witzigen wie informativen Vortrag räumt er mit verbreiteten Mythen auf. Mythos Nummer eins: Das Gehirn rechnet wie ein Computer. Nein, sagt Beck, kein Vergleich. Das Gehirn macht eine Milliarde mehr Fehler, aber es speichert Muster und kann Aufgaben kreativ lösen. Es arbeitet völlig anders als ein Computer.

Ein anderer Mythos: Brainfood. Man kann sich schlau essen, wird behauptet. Besonders gern von Herstellern von Gingkokonzentraten, aber auch Nüsse gelten als Schlaumacher, während Schokolade einen hervorragenden Ruf als Glücklichmacher genießt. Schade eigentlich, aber das alles stimmt so nicht, sagt Henning Beck. Die Blut-Hirn-Schranke verhindert im allgemeinen, dass Nährstoffe direkt ins Gehirn gelangen. Fette können aber durchschlüpfen, Drogen auch. Das Gehirn kann auch nicht unterversorgt werden, es kommt immer als erstes dran, sagt der Neurobiologe. Es sei sozusagen der Vampir unter den Organen und saugt die Nährstoffe von anderen Organen ab, wenn nötig.

Die Schokolade hat ihren guten Ruf anscheinend zum Teil verdient. "Das Serotonin aus der Schokolade gelangt nicht ins Gehirn", erklärt Beck. "Serotonin wird im Gehirn selbst hergestellt." Aber immerhin enthält Schokolade Flavonoide, denen Auswirkungen auf das Gefühlsleben nachgewiesen werden konnten. "Wenn man 30 Tafeln Schokolade am Tag isst und das mehrere Wochen lang, wird man ausgeglichener", sagt Beck und erntet wie so oft an diesem Abend Gelächter.

Nächster Mythos: Hirnzellen gehen unwiederbringlich verloren. Ausgelöst wird dieser Verlust beispielsweise durch Alkohol, aber auch die Kopfbälle beim Fußball kosten Hirnzellen. Nun sind Kopfbälle nachweislich schädlich für die Gedächtnisleistung, jedenfalls wenn ein Profi-Fußballer sie häufig spielt. Aber das sei reversibel, sobald der Sportler damit aufhört. Hirnzellen sterben tatsächlich unwiederbringlich ab, aber das sei eine positive Entwicklung, betont der Neurobiologe. "Die Zellen, die man nicht benutzt, sterben ab, das Gehirn wird dadurch immer effizienter", erklärt er.

Neue Zellen bilde das Gehirn deshalb nicht, um die pedantische Ordnung, die sich im Laufe des Lebens bildet, nicht durcheinander zu bringen. Ein weiterer besonders beliebter Mythos: das männliche und weibliche Gehirn sind verschieden. Ja, sagt Beck, aber letztendlich leisten sie dasselbe. Es komme nicht auf die Größe einzelner Hirnteile an, sondern auf das Ergebnis. Und Versuche, die nicht im Labor, sondern in der Realität durchgeführt würden, zeigten, dass auch die räumliche Orientierung bei beiden Geschlechtern gleich gut ausgeprägt sei.

(NGZ)
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