Korschenbroich Heinrich Ziemes spielt seit 50 Jahren den Bettler

Korschenbroich · Heute teilt St. Martin in Liedberg zum 50. Mal in Folge seinen Mantel mit Heinrich Ziemes, der den alten Mann spielt.

 Verkleidet als armer Bettler komplettiert Heinrich Ziemes aus Drölsholz seit 50 Jahren die Mantelteilung beim Martinsumzug in Liedberg. Das Singen der Kinder am Martinsfeuer bewegt den 81-Jährigen jedes Mal.

Verkleidet als armer Bettler komplettiert Heinrich Ziemes aus Drölsholz seit 50 Jahren die Mantelteilung beim Martinsumzug in Liedberg. Das Singen der Kinder am Martinsfeuer bewegt den 81-Jährigen jedes Mal.

Foto: cka

Heute Abend zieht St. Martin durch Liedberg. Doch der ist nicht allein, denn: Was wäre der römische Bischof mit dem großen roten Mantel ohne den Bettler? Schließlich komplettiert er die Martins-Geschichte auch in Liedberg - und das seit genau 50 Jahren. Jedes Jahr sitzt er pünktlich zur Mantelteilung auf einem Strohballen am Martinsfeuer und bittet St. Martin um Hilfe, weil er - so die Geschichte - als armer Mann nur Lumpen trägt und bei der Kälte zu erfrieren droht. Heinrich Ziemes wird das halbe Mantelteil St. Martins auch heute wieder annehmen. Er ist der Mann, der sich hinter dem "Bettler von Liedberg" verbirgt und die Rolle des armen Mannes vor 50 Jahren ins Leben gerufen hat.

Als der gebürtige Liedberger aufwuchs, gab es keine Martinszüge im Ort. Durch den Krieg hatten die Liedberger ganz andere Sorgen. Erst später zog ein St. Martin durch den Ort - einen Bettler hat es aber nie gegeben. Mit 31 Jahren lernte Heinrich Ziemes die klassische Martins-Geschichte in Rheindahlen kennen. "Dort gab es einen Bettler. Und ich fand die Idee gut. Ich habe das bei der Einschulung meines Sohnes den Organisatoren in Liedberg vorgeschlagen", erinnert sich Heinrich Ziemes. Er sei dann "so reingerutscht" in die Rolle des Bettlers. "Konkurrenzlos", erzählt der heute 81-Jährige und schmunzelt. Auch im Alter denkt Ziemes noch nicht ans Aufhören. "Ich mache das sehr gerne", betont er.

Bei der Mantelteilung am Feuer singen die Kindergarten- und Grundschulkinder unter anderem Lieder wie "Großer Gott". "Das ist immer wieder ein schönes Gefühl", berichtet Heinrich Ziemes, der allerdings nur zu St. Martin in die Rolle des armen Mannes schlüpft. Denn der ehemalige Fernmeldetechniker lebt mit seiner Frau Ingeborg auf einem kleinen ehemaligen Hof in Drölsholz. Ingeborg Ziemes ist übrigens fast immer dabei, wenn ihr Mann den Bettler spielt und in einem ausgefranzten Leinensack, der "Lumpe", am Martinsfeuer sitzt. "Ich beobachte jedes Jahr, dass die Kinder sehr andächtig und diszipliniert die Mantelteilung verfolgen", erzählt sie.

Interessant: Heinrich Ziemes kennt den Mann, der St. Martin spielt, überhaupt nicht. "Wir haben uns noch nie abgesprochen", sagt Heinrich Ziemes, "die Rollen sind uns ja bekannt." Er fleht und bettelt - und St. Martin lehrt zu teilen, in dem er seinen warmen Mantel durchtrennt und dem Bettler eine Hälfte reicht, damit er nicht mehr frieren muss. Für die Rolle des Bettlers zieht sich Heinrich Ziemes, den manche Kinder liebevoll "Heini" nennen, neben dem ausgefranzten Leinensack auch Klompen an. Darüber hinaus zählt auch ein Gehstock zur Ausrüstung des 81-Jährigen, der bei jedem Wetter den Bettler spielt, auch bei Regen.

Los geht's heute Abend um 17.30 Uhr mit dem Start der Grundschulkinder in Drölsholz. Treffpunkt ist die Lehmstraße. "Die Kindergartenkinder gehen einen kürzeren Weg. Beide Gruppen treffen sich an der Ecke Hildegundisstraße/Fuchsstraße und ziehen zur Mantelteilung auf den Kirmesplatz", erzählt die stellvertretende Schulpflegschaftsvorsitzende Anke Jansen, die zum Organisationsteam gehört. Auf dem Kirmesplatz wird St. Martin Horst Kubissa kurz nach 18 Uhr die Jungen und Mädchen mit der Mantelteilung begeistern.

(NGZ)
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