Korschenbroich Hannenhaus prägt Korschenbroichs Ortskern

Korschenbroich · Erst Weinhaus und Gerichtsstätte, dann Brauerei, später Sitz des städtischen Kultur-, Schul- und Sportamtes und jetzt Wohnhaus mit historischem Flair: Das ehemalige Weinhaus im alten Ortszentrum Korschenbroichs stärkt seit Jahrhunderten das dörfliche Selbstbewusstsein.

Es gibt Häuser, die Geschichten erzählen können und deshalb für einen Ort identitätsstiftend sind. In Korschenbroich steht ein solcher Merkposten mitten im Dorf: das ehemalige Weinhaus oder Hannen-Stammhaus am Hannenplatz 4. Im Schatten der St.-Andreas-Kirche gelegen, bildete es über Jahrhunderte hinweg den Mittelpunkt des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens. Nach einer Renovierungszeit von eineinhalb Jahren präsentiert sich das Haus jetzt wieder in altem Glanz.

Horst Thoren, der das altehrwürdige Gebäude 2003 aus "Lokalpatriotismus" erworben hat, legt besonderen Wert darauf, die historische Substanz zu sichern. So hat er sich beim Anstrich der Fenstergewände an der ersten Farbschicht aus dem Jahre 1716 orientiert - und die war lindgrün. Die Fassade hat er mit Feldbrandsteinen ergänzt, die aus dem Abriss des früheren Gefängnisses im belgischen Verviers stammen. Vor unliebsamen Überraschungen blieb er bei der Renovierung des Hauses allerdings nicht verschont.

Insbesondere die Statik des Gebäudes musste nachgebessert werden. "Ohne die fachliche Unterstützung meiner in Denkmalfragen erfahrenen Vettern Günter und Jürgen Thoren hätte ich das Projekt kaum stemmen können", sagt er. Besonders wichtig sei die Wegbegleitung von Friedhelm Nießen gewesen, der als pensionierter Architekt viel Fachwissen einbrachte. "Onkel Friedhelm hat dem Hannenhaus seine Seele zurückgegeben", sagt Horst Thoren.

Schätze habe er aber nicht gefunden, weder verborgene Wein- oder Bierfässer, noch eingemauerte Schuhe, fügt er augenzwinkernd hinzu. Sein Ziel jedenfalls hat Thoren verwirklicht: das ehemalige Weinhaus als Denkmal des dörflichen Selbstbewusstseins zu erhalten.

In historischen Dokumenten finden sich immer wieder Bezüge zum Weinhaus der Herren von Myllendonk: 1543 wird der Vorgängerbau erstmals urkundlich erwähnt. Es gehörte den Herren von Myllendonk, deren Verwaltungssitz es war, und die mit dem Haus ihren Herrschaftsanspruch in Korschenbroich dokumentierten. Gerichtsverhandlungen fanden dort ebenso statt wie Belehnungen und politische Versammlungen.Seinen Namen "Weinhaus" verdankt es der Tatsache, dass es nach herrschaftlichem Privileg das einzige Gasthaus war, in dem Wein ausgeschenkt werden durfte, und in dem Reisende beherbergt wurden. Im Jahre 1716 vernichtete der verheerende Dorfbrand auch das Weinhaus. Wegen seiner öffentlichen Bedeutung bauten die Landesherren es im gleichen Jahr wieder auf - so, wie es sich heute präsentiert: stolz, und trotzdem zurückgenommen.

Da der Keller unter dem Gebäude aus drei nebeneinander liegenden Gewölben besteht, vermutet Horst Thoren, dass vor dem Brand kleinere Häuser an dieser markanten Stelle gestanden haben. Knapp 100 Jahre später spielte der Weinausschank in dem Haus allerdings kaum noch eine Rolle: 1806 erwarb Johann Hannen, seit 1800 bereits Pächter, das Gebäude und braute hier fortan sein Bier. Die Hannen-Brauerei sollte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur größten Altbierbrauerei Deutschlands entwickeln, und die Produktionsstätten an der Rückseite des Hauses dominierten den Korschenbroicher Ortskern, bis sie im Jahr 1988 abgerissen wurden.

Das repräsentative Weinhaus, im Volksmund längst in Hannen-Stammhaus umbenannt, blieb erhalten. Bis heute wirkt es, so Horst Thoren, "identitätsstiftend für Korschenbroich" - insbesondere zu Unges Pengste, wenn alljährlich im Vorfeld des Festes die Schützenkönige vor dem Haus fotografiert werden und dort am Pfingstmontag die Schützenmajestäten mit dem Bürgermeister tagen.

(NGZ)
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