Korschenbroich Familie gibt Flüchtlingen ein neues Zuhause

Korschenbroich · Ein Paar aus Syrien tauschte jetzt den Wohncontainer gegen die Einliegerwohnung von Familie Reinartz aus Kleinenbroich. Ein Besuch.

 Julia Hanisch (links) hat die Flüchtlinge Daniel Osman und Decie Joy Alvarez (Mitte, auf dem Sofa) an Martin und Petra Reinartz vermittelt. Die Kleinenbroicher haben ihre Einliegerwohnung an das Paar vermietet. Den Mietvertrag haben sie mit der Stadt Korschenbroich geschlossen.

Julia Hanisch (links) hat die Flüchtlinge Daniel Osman und Decie Joy Alvarez (Mitte, auf dem Sofa) an Martin und Petra Reinartz vermittelt. Die Kleinenbroicher haben ihre Einliegerwohnung an das Paar vermietet. Den Mietvertrag haben sie mit der Stadt Korschenbroich geschlossen.

Foto: detlef ilgner

Flüchtlinge leben oft am Rande der Gesellschaft. An den Ortsrändern, in Wohncontainern, Notunterkünften oder provisorisch umfunktionierten Turnhallen. Das normale Leben: weit entfernt. Und Integration? "Die kann nicht funktionieren, wenn die Menschen isoliert sind", sagen Petra und Martin Reinartz aus Kleinenbroich.

Das Ehepaar will gegensteuern - und gibt einem Paar aus Syrien die Chance, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Sie haben sich kurzerhand dazu entschlossen, die Einliegerwohnung, die direkt an ihr Wohnhaus grenzt, über das Sozialamt der Stadt an Decie Joy Alvarez und Daniel Osman zu vermieten. Beide waren Anfang Februar nach Deutschland geflüchtet und wurden später in einem Wohncontainer in Herrenshoff untergebracht.

Den rund zwölf Quadratmeter kleinen Raum im Container tauschten sie jetzt gegen die 36 Quadratmeter große Wohnung mit Wohnzimmer, Küche und Bad von Familie Reinartz. "Hier läuft alles etwas friedvoller und entspannter ab. Wir sind froh, hier leben zu können", erzählt Daniel Osman, der ursprünglich aus Syrien stammt.

Die vergangenen Jahre hat er als Englischlehrer in Kuwait gearbeitet und gelebt. Und das aus gutem Grund: Denn der 34-Jährige wäre gezwungen gewesen, in Syrien Militärdienst zu leisten - oder mit finanziellen Leistungen den Krieg in seinem Heimatland zu unterstützen. Durch seinen Auslandsaufenthalt in Kuwait hatte er den Dienst hinauszögern können, doch dann musste er mit seiner Frau flüchten.

Um Menschen wie sie besser integrieren zu können, sucht die Stadt Korschenbroich dringend Wohnraum. Rund ein Drittel der insgesamt 558 Flüchtlinge sind bisher in Mietwohnungen untergekommen, die der Stadt oder privaten Eigentümern gehören. "Wir als private Eigentümer haben nicht lange gezögert", erzählt Petra Reinartz.

In der Facebook-Gruppe "Wir sind Korschenbroicher" stießen sie und ihr Mann auf einen Hinweis der Kleinenbroicherin Julia Hanisch, die den Wohnungs-Wunsch von Decie Joy Alvarez und Daniel Osman dort publik gemacht hatte. "Normalerweise übernachten Angehörige oder Freunde in der Einliegerwohnung. Doch die meiste Zeit steht sie leer. Deshalb haben wir die beiden eingeladen, sich die Wohnung anzusehen", berichtet Martin Reinartz von der spontanen Aktion.

Die Familie hat kurz darauf mit dem Sozialamt einen Mietvertrag geschlossen. "Eine Woche später sind wir eingezogen", erzählt Daniel Osman. "Wir haben schnell gemerkt, dass es passt. Für uns macht es keinen Unterschied, welche Herkunft Mieter haben. Wichtig ist, dass man sich sympathisch ist", betont Petra Reinartz, die genau wie ihr Mann zeigen möchte, wie einfach es sein kann zu helfen. "Vermittlerin" Julia Hanisch freut sich, dass ihr Aufruf bei Facebook Wirkung gezeigt hat. Kennengelernt hatte sie Decie Joy Alvarez, die gebürtig von den Philippinen stammt, und Daniel Osman zuvor ebenfalls durch ein Facebook-Posting. "Sie hatten eine Frage zum Paketversand in Deutschland. Ich habe geantwortet - und dann haben wir uns kennengelernt", sagt Julia Hanisch.

Alvarez und Osman wollen nun den Menschen, die sich für sie engagieren, etwas zurückgeben. "Wir helfen zum Beispiel beim Café ,International' in Kleinenbroich oder geben Kaffee und Kuchen beim Senioren-Treff aus", erzählt Decie Joy Alvarez. Sie unterstützen auch ehrenamtlich einen Menschen mit Behinderungen und Flüchtlinge, die neu ankommen. "Wir können etwa bei Amts- oder Arztbesuchen übersetzen und erklären, wie sie sich in den Orten zurechtfinden", erklärt Daniel Osman.

Ihm ist es wichtig, Kontakte zu knüpfen. "In Kleinenbroich geht das natürlich leichter als in Herrenshoff, weil es hier deutlich mehr Möglichkeiten und Geschäfte gibt", sagt der Syrer, der mit seiner Frau einen Deutschkursus besucht. Der trägt schon erste Früchte: Inzwischen verstehen die beiden einfache Fragen und Aussagen auch ohne einen Dolmetscher - und ohne englische Hilfsvokabeln. Mit ihren direkten Nachbarn, den Reinartz', verständigen sie sich noch überwiegend auf Englisch.

Wie die Nachbarn auf die neuen Bewohner der Einliegerwohnung reagiert haben? "Wir haben nicht viele Reaktionen erhalten. Aber die, die kamen, waren durchweg positiv", sagt Petra Reinartz.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort