Interview mit Wolfgang Albers "SEK-Skandal noch lange nicht erledigt"

Köln · Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers erklärt im Interview mit unserer Redaktion, warum er weiter gegen die bizarren Aufnahmerituale seiner Elitepolizisten vorgeht. Auch strafrechtlich könnte der Vorgang noch nicht erledigt sein.

 Die Elite-Polizisten der Spezialeinsatzkommandos (SEK) sind die härtesten Beamten, die das Land ausbildet. Das Kölner Polizeipräsidium hat drei SEKs, die übrigen Polizeipräsidien in NRW halten weitere Spezialeinheiten vor.

Die Elite-Polizisten der Spezialeinsatzkommandos (SEK) sind die härtesten Beamten, die das Land ausbildet. Das Kölner Polizeipräsidium hat drei SEKs, die übrigen Polizeipräsidien in NRW halten weitere Spezialeinheiten vor.

Foto: dpa, Montage: RP

Von seinem Büro in der fünften Etage des Kölner Polizeipräsidiums blickt Wolfgang Albers (59) auf den eher tristen Stadtteil Kalk: Gleise, Züge, ein altes Hochhaus. In dem kargen Besprechungszimmer des Polizeipräsidenten hängen die Führungsleitsätze der Polizei. Einer davon: "Unangemessenes Auftreten und Verhalten sprechen wir an." Die beiden Skandale, die er gerade aufklären muss, hat allerdings nicht er, sondern haben die Medien zuerst angesprochen: Im einen ließen sich fünf seiner Beamten zum Spaß aus einem Polizeihubschrauber auf einem fast 80 Meter hohen Brückenpfeiler fotografieren. Im anderen geht es um die bizarren Aufnahmerituale seiner Elite-Polizisten.

Sie lassen intern gegen zehn ihrer Beamten ermitteln. Warum?

Albers Es geht um die öffentlich bekannt gewordenen Aufnahmerituale bei einem unserer Spezialeinsatzkommandos. Die Staatsanwaltschaft Aachen hat bestätigt, dass dort zwei Beamte aneinander gefesselt wurden, in erheblichem Umfang Alkohol trinken und dann so genannte Aufgaben durchleben mussten, die aus meiner Sicht die Würde der Beamten verletzt haben. Details darf ich öffentlich nicht nennen, weil auch das die Würde der Betroffenen verletzten könnte. Ich habe die Ermittlungen angestoßen, ausgeführt werden sie derzeit von einer anderen Polizeibehörde, um jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden.

Aber die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen doch eingestellt. Warum wird intern trotzdem weiter ermittelt?

Albers Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Ersteinschätzung keine strafrechtlich relevanten Vorgänge festgestellt. Diese - übrigens noch anfechtbare - Einschätzung hätte aufgrund derselben Fakten auch anders ausfallen können.

Ist sie aber nicht. Warum sind Sie hartnäckiger als der Staatsanwalt?

Albers Völlig untergegangen in der Berichterstattung der vergangenen Tage ist: Die Staatsanwaltschaft Aachen hat bestätigt, dass die Vorgänge sich so zugetragen haben, wie der Hauptbelastungszeuge sie auch uns gegenüber geschildert hat. Und nur, weil die Staatsanwaltschaft daraus keine strafrechtlich relevanten Schlüsse zieht, heißt das noch lange nicht, dass ich als Polizeipräsident ein solches Verhalten dulden darf.

Betrunkene, die fragwürdige Aufgaben erledigen müssen, gibt es bei jedem Karnevalsverein ...

Albers ... ich bin aber nicht Karnevalspräsident, sondern Polizeipräsident. Das ist etwas anderes. Was andere Menschen privat machen, steht unter einem ganz anderen Bewertungsmaßstab. Hier wurde ein Ritual von Beamten in Dienstgebäuden abgehalten, das den Feststellungen der Staatsanwaltschaft zufolge zum Teil im Widerspruch zu dem Menschenbild stand, das genau diese Polizeibeamten verteidigen müssen. Deshalb hat sich der Vorgang auch noch lange nicht erledigt. Strafrechtlich möglicherweise auch noch nicht.

Was droht den Beamten?

Albers Diese Frage möchte ich nicht beantworten, weil dies als Vorverurteilung verstanden werden könnte.

Angeblich ist der Hauptbelastungszeuge ein Querulant. Ist er überhaupt glaubwürdig?

Albers Ja, er ist sogar sehr glaubwürdig. Die Feststellungen der Staatsanwaltschaft decken sich im Großen und Ganzen mit den Angaben, die der Betroffene zuvor uns gegenüber gemacht hat.

Warum ist so etwas in Ihrer Behörde überhaupt möglich?

Albers Im Polizeipräsidium Köln arbeiten über 5000 Mitarbeiter. Es ist unmöglich und auch nicht gewollt, jeden davon jederzeit zu kontrollieren. Deshalb ist es ja so wichtig, solche Vorwürfe und Vorgänge konsequent aufzuklären und deutlich zu machen, dass derartige Aufnahmerituale inakzeptabel sind.

Sie haben das betroffene SEK vorübergehend von seinen Aufgaben entbunden. Was machen die Beamten jetzt eigentlich den ganzen Tag?

Albers Sie trainieren und bilden sich fort.

Wann lassen sie die Männer wieder an die Arbeit?

Albers Sobald ich dazu Veranlassung habe.

Haben Sie in den vergangenen Wochen an Rücktritt gedacht?

Albers Nein, habe ich nicht. Es gab zwar schwierige Situationen, mit denen man sich als Polizeipräsident auseinandersetzen muss. Aber meine Aufgabe ist es, diese Dinge anzupacken, eine Lösung zu finden, etwas zu verändern. Eine Polizeibehörde zu leiten, ist was anderes, als ein Ferienheim zu leiten.

Was ist der Stand der Ermittlungen in Sachen Abschiedsfoto?

Albers Angeblich wurde ja ein Polizeihubschrauber eingesetzt, um für Mitglieder der Spezialeinheiten ein Abschiedsfoto zu ermöglichen. Auch das wäre keine Petitesse. So ein Hubschrauber ist sehr teuer. Die Ermittlungen dauern an.

Wissen Sie schon, wie eines Tages Ihr eigenes Abschiedsfoto aussehen soll?

Albers (lacht) Ich glaube, ich mache sicherheitshalber ein Selfie.

Thomas Reisener und Christian Schwerdtfeger führten das Interview.

(RP)
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