Silvester-Übergriffe 16 Tatverdächtige in Köln ausfindig gemacht

Köln · Nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln hat die Polizei inzwischen 16 Tatverdächtige identifiziert. "Wir prüfen nun, ob sie tatsächlich in Zusammenhang mit den Taten stehen", sagte ein Sprecher am Donnerstag. Die Zahl der Strafanzeigen ist unterdessen auf 121 gestiegen.

Die meisten der 16 Verdächtigen seien bislang nicht namentlich bekannt, aber auf Bild- oder Videoaufnahmen klar erkennbar. Einige Verdächtige seien vorübergehend festgenommen worden, jedoch vor allem wegen Diebstählen, teilweise auch außerhalb von Köln. Bei den Ermittlungen hätten sich Hinweise ergeben, dass diese Männer auch mit den Taten am Kölner Hauptbahnhof in Verbindung stehen könnten.

Zwei Männer, die bereits am 2. Januar in Köln festgenommen wurden, sitzen wegen Taschendiebstählen in Untersuchungshaft. Die übrigen Festgenommenen sind nach Angaben des Polizeisprechers wieder auf freiem Fuß. Bei etwa drei Viertel der angezeigten Taten hätten die Opfer angegeben, sexuell bedrängt worden zu sein. In 50 dieser Fälle seien die Frauen zudem bestohlen worden. Es seien zwei Vergewaltigungen angezeigt worden.

Augenzeugen und Opfer hatten nach den Übergriffen ausgesagt, die Täter seien dem Aussehen nach größtenteils nordafrikanischer oder arabischer Herkunft. Die Kölner Polizei teilte am Donnerstag mit, dass die jungen Männer "weitestgehend" aus dem nordafrikanischen Raum stammten.

Übergriffe in Köln: Was wir wissen – was wir nicht wissen
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Foto: dpa, obe kno

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will wegen der Kölner Vorfälle die Regeln für Ausweisungen von Ausländern überprüfen. Es gehe darum, "hier auch klare Zeichen zu setzen an diejenigen, die nicht gewillt sind, unsere Rechtsordnung einzuhalten". Es ergäben sich nun "sehr ernsthafte Fragen, die über Köln hinausgehen", fügte Merkel hinzu. "Gibt es in Teilen von Gruppen auch so etwas wie Frauenverachtung? Wir müssen dem in aller Entschiedenheit entgegentreten."

In der Union wurden Forderungen nach schärferen Gesetzen zur Ausweisung ausländischer Straftäter laut. Die CDU-Spitze fordert nach den Übergriffen auf Frauen in Köln deutliche Gesetzesverschärfungen. So sollen bei "erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" verdachtsunabhängige Personenkontrollen ("Schleierfahndung") eingeführt werden.

Das geht aus dem Entwurf für die "Mainzer Erklärung" des CDU-Vorstands hervor, die bei einer Klausur am Freitag und Samstag in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt verabschiedet werden soll. Asylberechtigte, Flüchtlinge und Asylbewerber, die zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt werden, sollen ihre "Asylberechtigung" verlieren.

Bereits am Mittwoch hatte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) für eine Änderung der Regelung ausgesprochen, dass bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu drei Jahren Haft oder mehr kein Flüchtlingsstatus gewährt wird. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Ansgar Heveling (CDU), plädierte im "Kölner Stadt-Anzeiger" (Online-Ausgabe) dafür, die Schwelle auf ein Jahr zu senken.

Demgegenüber verwies Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) darauf, dass Asylbewerber schon nach einer Bestrafung zu einem Jahr Haft ausgewiesen werden könnten. "Ausweisungen wären insofern durchaus denkbar", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte vor Beginn einer Fraktionsklausur, von der Ein-Jahres-Regelung "sollte auch Gebrauch gemacht werden". Die Täter sollten abgeschoben werden, "wenn es möglich ist". "Für die widerwärtigen Übergriffe gegen Frauen darf es kein Pardon geben", so Oppermann. Zugleich warnte er vor organisierter Kriminalität durch bandenmäßig organisierte Großfamilien.

"Wir wollen einen starken Staat", sagte Oppermann. Er betonte mit Blick auf die Zuwanderung, dass in Deutschland die gleichen Rechte und Pflichten für alle gelten. Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka wies darauf hin, dass die Hürden in diesem Bereich erst kürzlich verschärft worden seien.

Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico hat sich nach den sexuellen Übergriffen zu Silvester in Köln erneut gegen die Aufnahme von muslimischen Flüchtlingen ausgesprochen. "Wir wollen nicht, dass so etwas wie in Deutschland in der Slowakei passiert", sagte Fico am Donnerstag in Bratislava. Es müsse verhindert werden, "dass unsere Frauen auf öffentlichen Plätzen belästigt werden".

Seine Regierung werde sich dagegen stemmen, dass eine "geschlossene muslimische Gemeinschaft" in der Slowakei entstehen könne, sagte Fico. "Dies ist der einzige Weg, um Risiken auszuschließen".

Auf ihrem Weg in Richtung Westeuropa durchquerten bislang nur wenige Flüchtlinge die Slowakei, noch weniger entschlossen sich, in dem Land zu bleiben. Die Regierung in Bratislava hatte im vergangenen Jahr angekündigt, nur christlichen Flüchtlingen Zuflucht gewähren zu wollen. Zudem klagte die Slowakei wie auch Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die in der EU per Mehrheitsvotum eingeführte Quotenregelung zur Verteilung der Flüchtlinge aus Nahost und Afrika.

Neben den Vorfällen in Köln gab es in Hamburg der Polizei zufolge in der Silvesternacht bislang 70 Anzeigen zu sexuellen Belästigungen. In 23 Fällen wurden die Frauen auch bestohlen oder beraubt. In Stuttgart erstattete nach Polizeiangaben ein gutes Dutzend Frauen Anzeige wegen Übergriffen in der Silvesternacht. Ein mutmaßlicher Tatverdächtiger befindet sich in Untersuchungshaft.

Übergriffe gegen Frauen in Köln: Pressestimmen
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"Wer Recht so verhöhnt, muss ausgewiesen werden"

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Auch Betroffene aus dem Raum Trier haben Anzeigen erstattet. Die Dienststellen in der Region hätten bislang fünf Anzeigen mit insgesamt acht geschädigten Frauen entgegengenommen, die zum Jahreswechsel in Köln gewesen seien, teilte die Polizei am Donnerstag in Trier mit. Die Vorwürfe der Frauen reichten von Beleidigung über sexuelle Nötigung bis hin zu Taschendiebstahl und Raub von Handtaschen und Mobiltelefonen. Zwei aus Trier stammende Frauen hätten angegeben, an Silvester in der Düsseldorfer Altstadt von Männern in ähnlicher Weise angegriffen worden zu sein.

Sexuelle Belästigungen hat es anscheinend auch bei der größten öffentlichen Schweizer Silvesterparty gegeben. Nach den Medienberichten zu den Übergriffen in Köln hätten nun auch in Zürich mehrere Frauen der Polizei ähnliche Straftaten gemeldet, berichtete die Schweizer Nachrichtenagentur sda am Donnerstag. Es seien zunächst zwei Dutzend Anzeigen über Diebstähle eingegangen. Bei der Abklärung habe sich ergeben, dass Frauen in etwa sechs dieser Fälle sexuell belästigt wurden.

Ein Polizeisprecher bestätigte die Angaben, nannte aber unter Hinweis auf die laufenden Ermittlungen keine weiteren Einzelheiten. Aufgrund der Aussagen gehe man davon aus, dass es noch weitere Opfer sexueller Übergriffe gebe, die bislang noch nicht bereit waren, Anzeige zu erstatten. Zur Party auf der Festmeile in Zürich waren nach Angaben der Veranstalter 120.000 Besucher gekommen.

In der Silvesternacht hatten sich am Kölner Hauptbahnhof aus einer Menge von rund 1000 Männern heraus kleinere Gruppen gelöst, die vor allem Frauen umzingelt, begrapscht und bestohlen haben sollen.

(dpa/AFP)
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