Köln Polizeibeamter, Psychologe, Mensch

Köln · Wenn es sein muss, spricht Frank Schmitz, Einsatzbearbeiter auf der Polizeileitstelle Köln, mit Anrufern, die die 110 gewählt haben, auch Kölsch. Hauptsache, es hilft, rasch an notwendige Infos zu kommen. Denn die können Leben retten.

Köln: Polizeibeamter, Psychologe, Mensch
Foto: Miserius, Uwe (umi)

Die 110 klingelt nicht. Kommt ein Anruf über den Polizei-Notruf rein, blinkt es auf den Computerbildschirmen in der Leitstelle der Kölner Polizei. Aus gutem Grund: Anrufe kommen en masse. "Wir haben im Schnitt 420 000 Anrufe pro Jahr über die 110", erzählt Hauptkommissar Frank Schmitz. Der 54-Jährige ist einer der Einsatzbearbeiter auf der Leitstelle. Und mehr als das. Schmitz ist auch Logistiker, Psychologe und Notfallhelfer am Telefon.

Das, was der Kölner Polizeibeamte dann erzählt, macht staunen: "Einmal habe ich eine Telefonreanimation gemacht", sagt Schmitz, und der ansonsten angenehm locker wirkende Polizeibeamte wird sehr ernst: Eine Frau rief an, sagte, ihr Vater sei zusammengebrochen, liefe im Gesicht schon blau an. Da muss man schnell handeln." Schmitz entschied: Bis er die Feuerwehr alarmiert hat und die den Rettungswagen schickt, vergeht zu viel kostbare Zeit. Er gab der Frau durchs Telefon Schritt für Schritt Anweisung für Wiederbelebungsmaßnahmen. "Parallel hat ein Kollege den Rettungswagen alarmiert. Ich bin so lange am Telefon geblieben, bis ich sicher war, dass die Rettungskräfte in der Wohnung angekommen sind. Danach musste ich zehn Minuten vor die Tür gehen. Das Telefonat ging bis an die Schmerzgrenze."

Grenzerfahrungen machen die Leitstellenmitarbeiter der Kölner Polizei nicht selten. "Manchmal rufen Menschen an, die auf der Brücke stehen und runterspringen wollen", berichtet der Hauptkommissar, der 25 Jahre auf verschiedenen Wachen tätig war, sich dann für die Leitstelle entschied und dort seit neun Jahren arbeitet. Die Leitstellenbeamten durchlaufen Erstsprecher- und psychologische Schulungen, um mit solchen Situationen umgehen zu können.

Aber auch, um in kurzer Zeit möglichst viele und vor allem brauchbare Informationen von den Anrufern zu bekommen. Beispiel: Einbruch nachts. "Da versuchen wir, den Anrufer lange in der Leitung zu halten, weil er sieht, was da beispielsweise im Geschäft gegenüber gerade passiert, parallel schicken wir einen Streifenwagen raus", erläutert der 54-Jährige. Und manchmal müsse man aus den Leuten rauskriegen, wo sie sich aufhalten. "Wegen der Navigationsgeräte im Auto achten viele Leute nicht mehr auf die Strecke. Da bekommen Sie dann als Ortsangabe: Ich steh' hier an 'nem roten Erdbeerbüdchen."

Schmitz geht ans Telefon: Ein Mann meldet einen Schaden an seinem Wagen und einen Unfallflüchtigen vor einem Hotel. Schmitz fragt konkret nach dem Ort, nimmt Daten auf, macht parallel einen Einsatz auf, bewertet den Anruf, vergibt ein Einsatzstichwort, priorisiert die Dringlichkeit, guckt, ob ein Streifenwagen in dem Bereich frei ist. Alles läuft zügig an mehreren Bildschirmen. "Viele Leute denken, wenn sie hier anrufen, da klingelt ein einsames Telefon und ich käme selber raus." Vielmehr sei aber die Leistelle eine ständige Einsatzleitung im Alltag, auch mit einer Endkontrolle, "weil die Kollegen draußen uns sagen müssen, was sie vor Ort gemacht haben". Die Beamten sitzen schichtweise in der Leitstelle im Polizeipräsidium in Köln-Kalk, nehmen Notrufe entgegen, veranlassen Weiteres. Oder auch nicht. "Manchmal legen Leute wieder auf, manches ist auch nichts für die Polizei, etwa wenn Leute anrufen, weil ihr Kabelanschluss nicht funktioniert, manchmal muss man sich von Anrufern anbrüllen und beschimpfen lassen." Schmitz fährt mit dem Rad zur Arbeit, nach Dienstschluss könne er dabei am besten abschalten. Schmitz betont: "Als Einsatzbearbeiter muss man sich auf den Anrufer einlassen. Oft rufen Touristen an, die weder Deutsch noch Englisch können. Dann spricht man Telefon mit Hände und Füßen." Wenn nötig, auch Kölsch. "Auch mit Düsseldorfern", sagt er augenzwinkernd. Und fügt an: "Manchmal muss man die Polizeijacke im Dienst ausziehen und mit den Leuten am Telefon nicht als Institution sprechen, sondern als Mensch."

(RP)
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