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Opfer von Trickbetrügern erzählen Die Polizei, dein falscher Helfer

Im Kölner Stadtgebiet erbeuten Betrüger große Summen, indem sie sich als Polizisten ausgeben. Zwei Opfer beschreiben, wie perfide die Masche ist. "Dass ich darauf mal reinfallen würde, hätte ich nie gedacht", sagen sie. Eine der Damen verlor 200.000 Euro an die Gauner.

 Viele Senioren wurden Opfer am Telefon. (Symbolbild)

Viele Senioren wurden Opfer am Telefon. (Symbolbild)

Foto: dpa, Patrick Pleul

Als Lydia H. (Name geändert) merkte, dass die freundlichen Herren keine Polizeibeamten waren, sondern hochprofessionelle Trickbetrüger, rief sie ihre Cousine an: "Du musst sofort kommen, es ist etwas ganz Schlimmes passiert!" Da war es schon früh am Morgen, etwa 4.30 Uhr, als die 74-Jährige begriff, dass sie gerade Schmuck und Bargeld im Wert von fast 200.000 verloren hatte. "Ich hätte niemals gedacht, dass ich darauf reinfalle", sagt die Kölner Seniorin heute.

Sie wurde Opfer einer Masche, die die Polizei derzeit beschäftigt. Sie ist nicht neu, aber effektiv: Die Betrüger geben sich als Polizisten aus und manipulieren ihre älteren Opfer derart, dass die ihnen häufig ihr gesamtes Erspartes überlassen. Wenn die Opfer realisieren, was passiert ist, schämen sie sich häufig so sehr, dass sie nicht darüber sprechen möchten. Doch Lydia H. möchte andere warnen. Und deshalb erzählt sie ihre Geschichte, die am Montagabend begann.

Und dann klingelte das Telefon

 Der Chef der Kölner Kriminalpolizei Klaus-Stephan Becker (li.) und Kommissariatsleiter Christoph Heinen erklärten im Kölner Polizeipräsidium das Vorgehen der Banden. Das Phantombild zeigt einen sogenannten Abholer.

Der Chef der Kölner Kriminalpolizei Klaus-Stephan Becker (li.) und Kommissariatsleiter Christoph Heinen erklärten im Kölner Polizeipräsidium das Vorgehen der Banden. Das Phantombild zeigt einen sogenannten Abholer.

Foto: Hauser

Es war kurz nach 20 Uhr, als ihr Telefon klingelte. "Ein Mann war dran, der sich als Polizeikommissar Marcus Hermann ausgab", erzählt sie. Die Polizei habe bei einem Dieb eine Liste mit etlichen Namen und Adressen gefunden, auch die von Lydia H. sei darunter. Und es gebe die Befürchtung, dass Komplizen des Festgenommenen sie aufsuchen und bestehlen könnten. "Irgendwie kam mir das komisch vor", sagt Lydia H. Sie fragte den Anrufer, warum die Polizei denn nicht einfach vorbei käme. "So viel Personal haben wir nicht", behauptete der vermeintliche Kommissar. Sie solle mal auf ihr Display schauen, falls sie misstrauisch sei. Tatsächlich zeigte das eine Telefonnummer an, in der die 110 enthalten war.

Was dann folgte, nennt Kölns Kripo-Chef Klaus-Stephan Becker "eine perfide Masche". Der Anrufer verwickelte die ältere Dame in ein stundenlanges Telefonat, zwischendurch holte er immer wieder jemand anderen ans Telefon, den er als ermittelnden Oberstaatsanwalt bezeichnete. Die Männer waren freundlich, eloquent und machten auf Lydia H. den Eindruck, dass sie ihr helfen wollen. "Ich sollte alle Wertsachen holen, musste ihnen die Nummern von Geldscheinen durchgeben, ihnen sagen, wie viel Schmuck ich im Haus habe." Lydia H. wurde zwar immer wieder misstrauisch, auch ungehalten, doch die Täter schafften es, sie wieder und wieder davon zu überzeugen, dass sie sie einfach nur vor einem möglichen Einbruch schützen wollten. "Sie meinten, ich würde im schlimmsten Fall nichts ersetzt bekommen, wenn ich jetzt nicht alle Wertsachen mit ihnen protokolliere."

Telefonat dauerte fast neun Stunden

Um 2 Uhr morgens hieß es schließlich: "Sie sind die Nächste!" Man habe Telefonate der Diebesbande abgehört, ihr Name sei gefallen. Tatsächlich hörte Lydia H. im Hintergrund ständig Geräusche, die nach Polizeifunk klangen. Man werde sie nicht allein lassen, sagte der Mann, aber sie müsse nun alle Wertsachen zusammenpacken und in Sicherheit bringen. Lydia H. tat, was er sagte. Und sie packte auch noch ihre Handtasche dazu, mit allen wichtigen Papieren. Die Sachen brachte sie ein paar Straßen weiter, wo ein vermeintlicher Zivilbeamte sie entgegennehmen sollte. Der Mann, der sich Marcus Hermann nannte, blieb die ganze Zeit über am Mobiltelefon. "Machen Sie sich keine Sorgen", sagte er. "Wir lassen Sie nicht alleine."

Um ganz sicher zu gehen, dass der Mann, der ihr schließlich entgegenkam, ein Polizist sei, werde der ihr ein Codewort nennen: Rose. Mannschaftswagen der Polizei würden sie danach mitnehmen auf eine Wache, wo sie vor den Einbrechern sicher sei. Lydia H. traf den Mann, er sagte: "Rose" — und sie gab ihm alles, was sie zusammengepackt hatte. Erst als sie keine Mannschaftswagen sah und als der Anrufer ihr sagte "Wir haben gerade ermittelt, dass die Bande heute doch nichts mehr plant", wurde die Seniorin so misstrauisch, dass sie den Anrufer zur Rede stellte. Als sie ihm sagte, dass sie sofort alles wiederhaben wolle, was sie seinem Kollegen gerade gegeben habe, legte er auf. Fast neun Stunden hatte er die Frau bis dahin in der Leitung gehalten, damit sie niemanden zu Hilfe holen konnte — oder ein paar Minuten Zeit zum Nachdenken hatte. "Er hat es geschafft, jeden aufkommenden Zweifel zu zerstreuen", sagt sie. Und trotzdem kann sie sich nicht erklären, wie sie auf ihn hereinfallen konnte. "Ich habe immer gedacht: Das kann mir nie passieren."

Fallzahlen steigen sprunghaft

20 Millionen Euro Schaden jährlich richten Trickbetrüger bundesweit allein mit dem Polizisten-Trick an. Es gibt Variationen wie den Enkeltrick, bei dem sie sich als Verwandter ausgeben, der in Not ist. Christoph Heinen leitet das Kriminalkommissariat 25, das sich mit den Fällen beschäftigt. "Die Zahl geht gerade wieder sprunghaft nach oben", sagt er. 2015 gab es im Kölner Stadtgebiet 50 Fälle, in diesem Jahr sind es schon mehr als doppelt so viele. Die Banden agieren europaweit, haben sich nach Angaben von Heinen über Jahre spezialisiert. "Die Ermittlungen sind außerordentlich schwierig, da die Hintermänner, die die Telefonate führen, in der Türkei sitzen", sagt er. Nimmt die deutsche Polizei einen der "Abholer" fest, wird der einfach ausgetauscht.

Am Montagabend wurde auch die Nachbarin von Lydia H. Opfer der Betrüger. Die pensionierte Ärztin (72) hatte zwar kein Geld im Haus, die Täter schafften es aber, sie so zu manipulieren, dass sie zur Bank ging und fast ihr ganzes Erspartes abhob. Sie gab es einem Abholer, der das Kennwort "Rose" sagte. "Sie bauen Vertrauen auf und bearbeiten einen psychologisch so geschickt, dass man macht, was sie sagen", erzählt sie. Auch sie sagt: "Dass ich auf so etwas hereinfalle, das hätte ich nie für möglich gehalten."

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