Tagesbilanz 30.000 Kurden demonstrieren friedlich in Köln

Köln · Nach den Erdogan-Anhängern zeigten nun auch die Gegner Flagge. Zehntausende Kurden demonstrierten am Samstag in Köln. Das Bild von PKK-Chef Öcalan war dabei allgegenwärtig. Die Polizei sprach von einer durchweg friedlichen Veranstaltung und einem gelungenen Fest.

September 2016: Tausende Kurden demonstrieren in Köln
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September 2016: Tausende Kurden demonstrieren in Köln

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Dresden, Stuttgart oder Zürich — viele haben eine weite Reise hinter sich gebracht, um am Samstag auf der Deutzer Werft "Gegen Diktatur und für Gleichbehandlung" und für die Freilassung des PKK-Chefs Abdullah Öcalan zu demonstrieren. Die kurdische Kundgebung wurde zum Kulturfest: Familien saßen auf Picknickdecken zusammen, es wurde gegrillt, getanzt, gegessen und gefeiert.

Bis zum späten Nachmittag kamen die erwarteten 30.000 Teilnehmer zusammen. Und alles blieb friedlich. In einer ersten Bilanz äußerte sich Polizeipräsident Jürgen Mathies sehr zufrieden. "Die Veranstalter haben dazu beigetragen, dass die Veranstaltung so ablaufen konnte, wie wir es festgelegt haben — durchweg friedlich." Bis zum Abend wurden nur sechs Flaggen sichergestellt, die Beamten nahmen eine Anzeige wegen Beleidigung auf und sieben weitere, weil Demonstranten verbotene Symbole gezeigt hatten, etwa der verbotenen Organisation PKK.

Für viele war die Demo, die das zunächst im Rheinenergie-Stadion geplante "24. Internationale kurdische Kulturfestival" ersetzte, auch ein Wiedersehen. Serefhan und Emrak etwa sind Cousins, einer lebt in Dortmund, der andere in Stuttgart. "Die halbe Verwandtschaft ist hier", sagt der 16-jährige Emrak. Sein Cousin (20) findet, "dass die Kurden zusammenstehen müssen, weil sie in Deutschland sonst kaum wahrgenommen werden." Sie wollen wie alle hier auch ein Zeichen setzen gegen die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Und so begrüßen die Demonstranten den kurdischen Politiker Selahattin Demirtas wie einen Popstar, als er um 16.30 Uhr mit zweistündiger Verspätung die Bühne betritt. Der Vorsitzende der linksgerichteten Partei HDP, die sich auch für die kurdische Minderheit in der Türkei einsetzt, kommt erst einmal kaum zu Wort. Als der Applaus nachlässt sagt er: "Alle, die in Europa leben, müssen Widerstand leisten. Wenn wir schweigen, wird es in der Türkei ein Regiment geben, das dem Hitler-Regime gleicht." Jeder, der einen Funken Ehre im Leib habe, müsse demonstrieren und zu verhindern versuchen, dass die Türkei "in die Dunkelheit abgleitet". Die Menge skandiert: "Mörder Erdogan!" Als Demirtas nach 20 Minuten von Security-Leuten abgeschirmt die Bühne wieder verlässt und in eine schwarze Limousine steigt, versuchen viele, ein Foto von ihm zu machen, sie winken ihm wild zu, manche kreischen.

Bernd Riexinger, Parteivorsitzende der Linken und einziger deutscher Redner an diesem Tag, fordert eine Aufhebung des PKK-Verbots und prangert die Isolationshaft von Abdullah Öcalan als Folter an. "So etwas darf es in Europa nicht geben", sagt er. Er zeigt sich solidarisch mit der HDP und spricht sich für eine Kündigung des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei aus. "Erdogan erpresst die Bundesregierung", sagt er.

Einen Zwischenfall gab es am frühen Nachmittag dann doch: Auf der Deutzer Brücke wurde ein herrenloser Rucksack entdeckt, der am Geländer nahe der Demo lehnte. Die Polizei sperrte die Brücke und einen größeren Bereich unterhalb der Brücke gegen 13.15 Uhr aus Sicherheitsgründen und forderte Sprengstoffexperten an. Das kurdische Festival wurde davon nicht beeinflusst. Wie sich herausstellte, war der Inhalt des Rucksacks harmlos: Es waren nur ein paar Klamotten darin. Sein Besitzer hatte ihn als gestohlen gemeldet.

Möglich, dass der Dieb sich angesichts des großen Polizeiaufgebots am Deutzer Rheinufer spontan dazu entschlossen hatte, den Rucksack einfach abzustellen und das Weite zu suchen. Die kurze Aufregung bekamen nur die wenigsten der Feiernden mit. Es gab keinerlei Konfrontation mit türkischen Nationalisten. Im Schatten der Lanxess-Arena gab es zwar eine kleine Kundgebung, die als Gegendemo angemeldet war. Aber gerade einmal 15 Teilnehmer fanden sich dort ein. Auf der Deutzer Werft feierten die Kurden noch bis zum frühen Abend weiter. "Fakt ist: Das war ein gutes Fest", sagte Polizeipräsident Mathies.

(hsr)
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