Session startet Suff, Sexismus, schale Scherze? Karnevalisten im Kreuzverhör

Köln/ Düsseldorf · Stell' dir vor, es ist der 11.11. und du bist in Köln, Düsseldorf oder Mainz: Für viele Menschen in Rest-Deutschland eine Horrorvorstellung. Karneval ist dumpf und schon gar nicht witzig, so die Argumentation. Hier verteidigen sich die Karnevalisten.

15 Impressionen vom Düsseldorfer Karneval 2015: ein Rückblick
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15 Impressionen vom Düsseldorfer Karneval 2015: ein Rückblick

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Foto: Cenk Cigdem

Es wird wieder diese Bilder geben, es gibt sie jedes Jahr: Menschen stehen etwas fröstelnd auf irgendeinem Rathausplatz, tragen ein Bienen-, Matrosen- oder Krankenschwesterkostüm und genehmigen sich schon vormittags ein Schlückchen. Mit dem 11.11. beginnt die Karnevalssession. Für Karnevalisten ist es eine Art Feiertag, bei anderen reichen die Gefühle von Unverständnis bis Fremdscham. Hier sind ihre Argumente, formuliert in vier Thesen - und die Antwort der Karnevalisten darauf:

11 Dinge, die Sie noch nicht über Karneval wussten
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Foto: Anna Radowski

These: Karneval ist vom Kalender verordnete Lustigkeit. Ich lasse mir nicht vorschreiben, wann ich fröhlich sein soll!

Hermann Schmitz, der 1993 "Prinz Karneval" in Düsseldorf war (Motto: "Ejal wat dröckt - et wöhd jejöckt"), hält die Gegenrede: "Für mich ist nach Aschermittwoch vor Aschermittwoch. Ich bin überhaupt nicht auf irgendeinen Tag festgelegt." Es gehe bei den "Jecken" doch eher um eine Lebenseinstellung. Marlies Stockhorst, Präsidentin des Festausschusses des Bonner Karnevals, verweist darauf, dass der Zeitpunkt der Feier nun einmal mit dem Kirchenjahr zusammenhänge. Und beschwichtigt die Karnevalsskeptiker: "Wir wollen keinen missionieren."

Düsseldorfer Prominente feiern 2015 Rosenmontag
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Foto: Ruhnau

These: Karneval ist nur ein großer Vorwand, um sich hemmungslos zu betrinken.

"Ich kann aus Erfahrung sagen, dass Karneval sich mit wenig oder keinem Alkohol auch gut feiern lässt - besonders der Strassenkarneval", entgegnet Victoria Riccio, die in Köln eine Sitzung mitgegründet hat, die multikulturell den Blick von Zugezogenen aufgreift. Das Alkohol-Problem sei ja kein anderes als bei anderen Großveranstaltungen auch, meint die Bonner Karnevalistin Stockhorst. "Das Problem kann der Karneval nicht lösen." Und man sei in der Präventionsarbeit aktiv.

These: Karneval bedient dumpfe Stereotype. Frauen verkleiden sich als "sexy" Krankenschwester, Männer tragen Uniform.

Dazu äußert sich erneut Stockhorst: "Im Karneval wird das Seelenleben eines jeden Menschen bedient. Mal der zu sein, den man sich insgeheim schon immer wünschte." Die Krankenschwester- oder Hausmädchenkostüme kennt natürlich auch die Kölnerin Riccio. Sie hat in Deutschland aber noch mehr beobachtet. "Als ich aus den USA nach Deutschland kam, war ich erstaunt darüber, wie viele Frauen und Männer mit ihren Karnevalskostümen "Mut zur Hässlichkeit" zeigen."

Krefeld: Die schönsten Kostüme vom Rosenmontagszug
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Foto: Thomas Lammertz

These: Es weiß doch sowieso keiner mehr, warum man Karneval feiert. Das ist nur noch ein "Event" unter vielen.

"Das sehe ich mal ganz anders", sagt der Düsseldorfer Ex-Prinz Schmitz. Aber er gibt zu: Ihn ärgere es auch, dass der Karneval immer kommerzieller werde. Dennoch: "Jeck" zu sein, sei nicht an ein irgendwie geartetes Event gebunden. Die Kölnerin Riccio springt ihm bei: "Es gibt viele Menschen, für die Karneval und "Brauchtum" eine große Bedeutung hat - oft seit der Kindheit." Marlies Stockhorst gibt sich derweil versöhnlich: "Leeve und leeve losse." (übersetzt: "Leben und leben lassen.")

(met/ lnw)
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