Prozess um totes Flughafenbaby in Köln Gutachterin sicher — Säugling hat gelebt

Köln · Erneut hat im Prozess um den Tod eines Jungen am Flughafen Köln/Bonn die Rechtsmedizinerin ausgesagt. Sie schließt aus, dass das Kind tot auf die Welt kam. Die Kindsmutter bestreitet weiter, das Neugeborene getötet zu haben.

 Die Angeklagte (M.) und ihre Anwälte Funda Bicakoglu und Karl-Christoph Bode bei Prozessauftakt. (Archivbild)

Die Angeklagte (M.) und ihre Anwälte Funda Bicakoglu und Karl-Christoph Bode bei Prozessauftakt. (Archivbild)

Foto: dpa, hka jhe

Eigentlich hatte die Rechtsmedizinerin Sibylle Banaschak ihr Gutachten im Totschlags-Prozess gegen die Studentin Marie H. (Name geändert) bereits vorgestellt. Doch auf diesem Gutachten basiert die Anklage. Und die Verteidiger der 28-jährigen Angeklagten, die im November 2016 ihren Sohn nach der Geburt auf dem Flughafen Köln/Bonn getötet haben soll, haben am Montag erreicht, dass die leitende Oberärztin erneut in den Zeugenstand musste, weil eine ihrer Methoden offenbar als unsicher gilt. Die so genannte Lungenschwimmprobe, mit der Forensiker feststellen, ob ein Neugeborenes geatmet hat oder nicht, ist in den USA und Großbritannien als Beweis vor Gericht deshalb nicht zugelassen.

Doch die Gutachterin sagt auch diesmal: "Es ist ganz eindeutig, dass das Kind geatmet hat." Die Lungenschwimmprobe sei dafür nicht der einzige Beweis — man müsse die Ergebnisse der Obduktion vielmehr in ihrer Gesamtheit und nicht isoliert betrachten.

Da ist zum einen die positive Lungenschwimmprobe: Die Lunge des kleinen Jungen war "voll belüftet", das Kind hat laut Gutachten also geatmet. Wie viel Atemzüge es waren — darauf kann sich die Medizinerin nicht festlegen. "Aber er hat nicht länger als 30 Minuten gelebt", sagt die 48-Jährige. Es gibt nach Angaben der Rechtsmedizinerin keine Anzeichen dafür, dass das Kind längere Zeit tot im Bauch der Mutter war, das könnte man unter anderem an der Haut des Kindes erkennen. Die Angeklagte behauptet, der Junge sei tot auf die Welt gekommen. Ihre Verteidiger hatten Anfang der Woche deshalb sogar beantragt, sie aus der Haft zu entlassen.

Die Gutachterin zeigt sich aber wie auch schon bei ihrer ersten Aussage sehr sicher: "Das Kind war lebensfähig — auch das lässt sich nach der Obduktion sagen. Es war voll entwickelt, wog 3000 Gramm und war 49 Zentimeter groß."

Banaschak geht auf die Kritik der Verteidiger ein und verweist auf eine deutsche Studie, bei der 208 tote Kinder untersucht wurden. In 98 Prozent der Fälle war das Ergebnis des Lungenschwimmtests korrekt. In vier Fällen war es falsch — der Test zeigte an, dass die Kinder tot geboren worden waren, obwohl sie gelebt hatten. Banaschak betont, dass sie keinen Fall kennt, bei dem es genau anders herum schief gelaufen sei. "Ist ein Kind tot auf die Welt gekommen, geht die Lunge beim Test im Wasser unter, die Lungen sind dann dunkel und schwer — es ist ganz offensichtlich, dass ein Kind gelebt hat, wenn die Lunge oben schwimmt, rosa ist und voll entfaltet." So wie es bei dem toten Jungen vom Flughafen gewesen sei.

Ob Marie H. all die Dinge wirklich hört, die im Prozess über ihr totes Kind gesagt werden, ist schwer zu beurteilen. Die Frau mit den langen blonden Haaren weint immer wieder leise, schließt die Augen. Dem psychiatrischen Gutachter hatte sie gesagt, sie habe schon einen Namen für den Jungen gehabt: Fynn. Sie behauptet, dass sie das Kind nicht in einen Stoffbeutel gesteckt hätte, wenn es am Leben gewesen wäre. Sie habe das Kind noch geküsst. Der Vorsitzende hatte sie am Montag gefragt: "Ihrer Aussage nach war das Kind tot — wenn es gelebt hätte, was hätten Sie dann getan?" Marie H. überlegte, bevor sie sagte: "Es wäre dann einfach da gewesen — auch wenn ich mit meinem Freund nie darüber geredet habe."

Der Prozess wird kommenden Mittwoch fortgesetzt. Spätestens am 7. Juli will die Kammer das Urteil verkünden.

(hsr)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort