Lebenslang für Mord an Ex-Freundin "Diese Tat hat Züge einer Hinrichtung"

Steffen M. wurde wegen Mordes an seiner Ex-Freundin zu lebenslanger Haft verurteilt. Sein Opfer hatte sich nicht einmal wehren können. Hass, Rache, Verzweiflung und Kontrollverlust seien seine Motive gewesen, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung.

 Die Anwältin Funda Bicakoglu und der Angeklagte Stefan M. warten im Landgericht auf den Beginn der Verhandlung.

Die Anwältin Funda Bicakoglu und der Angeklagte Stefan M. warten im Landgericht auf den Beginn der Verhandlung.

Foto: dpa, hka jhe

Es dauerte nur vier Minuten. Innerhalb von vier Minuten passte Steffen M. seine Ex-Freundin an der Haltestelle "Autobahn" in Köln-Ostheim ab. Er überredete sie, mit ihm auf einen schlecht beleuchteten Weg abseits der Bahngleise zu kommen. Dann zog er ein Kampfmesser aus dem Jackenärmel und stach auf die 20-Jährige ein, immer wieder. 31 Stichverletzungen an Kopf und Hals werden später festgestellt. Steffen M. stach allein 15 Mal auf Ayla H. (Name geändert) ein, als sie schon bewusstlos auf dem Boden lag. Kein Arzt wäre in der Lage gewesen, ihr Leben zu retten.

Um 19.14 Uhr stieg Ayla H. am 29. Januar 2016 an der Haltestelle aus, um 19.18 Uhr saß Steffen M. schon in einer Bahn nach Köln-Kalk, um sich nach dem Mord der Polizei zu stellen.

Nach sechs Verhandlungstagen ist nun vor dem Kölner Landgericht das Urteil gegen den 21-jährigen Studenten gefallen: Er muss lebenslang in Haft. Eine besondere Schwere der Schuld stellte die 5. Große Strafkammer nicht fest, nach 15 Jahren kann also eine vorzeitige Entlassung geprüft werden.

Der Vorsitzende Richter, Peter Koerfers, sagt: "Diese Tat hat Züge einer Hinrichtung." Es sei vollkommen ungewöhnlich, dass ein Opfer keine Abwehrverletzungen an Händen oder Armen habe. Ayla H. muss völlig überrascht worden sein von dem Angriff. Die Kammer habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass Steffen M. die Tat geplant hat. Er selbst hatte das bestritten und behauptet, er habe nur ein Gespräch mit Ayla H. erzwingen wollen an jenem Abend. Doch zu vieles, was sich im Prozess herausstellte, spricht gegen eine spontane Affekttat.

So hatte sich Steffen M. vier Tage vor der Tat zwei Messer in einem Kölner Outdoor-Laden besorgt. Gleich mehreren Freunden hatte er geschrieben, dass er vor hat, seine Ex-Freundin zu töten. Einer von ihnen wurde nach der Zeugenvernehmung im Gerichtssaal in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen, weil er sich eine Mitschuld am Tod des Mädchens gibt, und deshalb kaum vernehmungsfähig war. Doch nicht nur er, auch die anderen Freunde haben Steffen M.s Nachrichten offenbar nicht ernst genommen.

Die Kammer sieht ein ganzes "Motivbündel" für den Mord: Hass, Rache, Verzweiflung, Kontrollverlust. Steffen M. wollte wieder mit Ayla H. zusammen sein. "Er konnte nicht akzeptieren, dass sie ohne ihn klar kommt", sagt Richter Koerfers. Sechs Jahre lang hatten die beiden in einer On-off-Beziehung gelebt, in der Steffen M. stets das Sagen hatte. Er dominierte die junge Frau, die aus einer konservativen und streng gläubigen Familie stammte. Weil Steffen M. es wollte, schlief sie mit anderen Männern, "Spielzeuge" nannte das Paar sie. Die Videoaufnahmen dieser Treffen nutzte Steffen M. immer wieder, um seiner Freundin zu drohen. Sie tat, was er wollte, damit er seine Drohung, die Aufnahmen ihren Eltern zu zeigen, nicht wahr machte. "Sie hatte Angst davor, von ihren Eltern verstoßen zu werden", heißt es in der Urteilsbegründung.

Im Sommer 2015 verliebte sich Ayla H. in einen anderen. Steffen M. beendete die Beziehung, ging aber davon aus, dass es — wie immer — zur Versöhnung kommt. Doch Ayla H. emanzipierte sich, grenzte sich mehr und mehr ab von ihrem Ex-Freund. "Sie war verliebt, war glücklich mit ihrem neuen Freund", hatte ihre Freundin vor Gericht gesagt. Steffen M.s Gedanken kreisten irgendwann nur noch um Rache. Ein Versuch, sämtliches Film- und Bildmaterial zu Aylas Eltern zu bringen, scheiterte am 8. Januar, weil nur ihre kleine Schwester zu Hause war. "Da entwickelte er den Gedanken, sie zu töten", sagt Koerfers. Noch an diesem Tag schreibt er seinem Freund: "Ich will sie killen." Fünf Tage vor der Tat schreibt er Ayla H.: "Ich hasse dich und wünsche mir von Herzen, dass du tot bist. Ich liebe oder hasse dich — das wird nie anders." Die Studentin nimmt die Nachricht nicht ernst. Sie bricht den Kontakt nun komplett ab. "Als sie ihn Tage später an der Haltestelle sieht, ist sie erstaunt, lässt sich nichts ahnend auf den Umweg ein", sagt Koerfers.

Bevor Steffen M. sich am 29. Januar der Polizei stellt, schreibt er seinen Eltern und seinen beiden Brüdern: "Es tut mir leid. Ich bin ausgetickt. Ich bin bei der Polizei." In seinem Geständnis gab er an, er habe sich als Verlierer gefühlt. Richter Koerfers sagt: "Dieser Fall kennt nur Verlierer. Die Getötete, ihre Eltern, ihre Schwester und ihr Freund — das sind die wahren Verlierer." Die Kammer habe von Steffen M. den Eindruck gehabt, dass er im Selbstmitleid ertrinke. "Wir haben uns oft gefragt: Wo sind Sie eigentlich gerade?" Steffen M. schaut auch jetzt nicht auf. Er hat es das ganze Verfahren über nicht getan.

Zuletzt wendet sich Richter Koerfers an die Eltern der Getöteten, die den Prozess als Nebenkläger verfolgt hatten. Meistens saßen sie Hand in Hand da. "Es ist jetzt an ihnen, die Tat professionell aufzuarbeiten", sagt Koerfers. "Sie sollten nicht in ein schwarzes Loch fallen und darin verharren."

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