Urteil im Reker-Prozess Wie ein trotziger Schüler

Meinung | Düsseldorf · Reker-Attentäter Frank S. muss 14 Jahre hinter Gitter - dass daraus keine lebenslängliche Haftstrafe wurde, hat er vor allem seiner geduldigen Richterin zu verdanken.

 Frank S. steht am letzten Prozesstag in Düsseldorf vor den Richtern.

Frank S. steht am letzten Prozesstag in Düsseldorf vor den Richtern.

Foto: dpa, ve gfh

Mit einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren hat das Düsseldorfer Oberlandesgericht im Prozess um das Attentat auf Henriette Reker ein klares, aber eher mildes Urteil gefällt. Dem Angeklagten Frank S. hat die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza alles zugute gehalten, was möglich und vertretbar war.

Möglich, das wäre auch eine lebenslängliche Freiheitsstrafe gewesen. Sowohl das Gericht als auch die Anklage werteten die Tat als versuchten Mord. Günstig für Frank S. legten die Richter vor allem seine schwere paranoid-narzisstische Persönlichkeitsstörung aus. Auch, dass Henriette Reker auf lange Sicht wohl wieder vollständig gesund wird und dass Frank S. ein Geständnis ablegte, bewerteten sie zu seinen Gunsten.

 Die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza.

Die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza.

Foto: dpa, ve gfh

Dass der 45-Jährige nicht lebenslang hinter Gitter muss, hat er - zynisch gesprochen - der von Gerichtspsychiater Norbert Leygraf diagnostizierten Persönlichkeitsstörung zu verdanken. Gegen diese Interpretation seines Verhaltens hatte sich Frank S. bis zuletzt gewehrt. "Ich bin kein paranoider Narzisst", das hatte der Verurteilte in seinem letzten Wort bekräftigt.

Mit solchen Äußerungen hat er die Wahrnehmung der Richter jedoch nur verstärkt, ihn als gestörten Täter einzuschätzen, der ohne seine abstrusen Ideen vielleicht nie zur Waffe gegriffen hätte. Ob Frank S. psychisch schwer gestört ist oder wegen seiner negativen Lebenserfahrungen seit frühester Kindheit ein fehlgeleitetes Schwarz-Weiß-Denken entwickelt hat, bleibt auch nach dem Urteil unklar. Das Gericht jedenfalls sah in ihm eher einen psychisch Kranken als einen gewissenlosen Mörder, der nur durch Glück und Zufall die Halsschlagader seines Opfers um Millimeter verfehlte.

Respekt vor der Richterin

Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht ist für den Angeklagten äußerst fair verlaufen. Bedanken kann sich Frank S. bei Richterin Havliza, die seinen bisweilen bizarren Aussagen geduldig begegnete, sich in seine Gedankenwelt einfühlen wollte und zeitweise sogar die Rolle seines Rechtsbeistands übernahm. Immer wieder erklärte sie ihm die Einzelheiten des Verfahrens. Und Frank S. zeigte vor ihr stets Respekt. Das Zusammenspiel von Angeklagtem und Richterin glich zuweilen dem eines trotzigen Schülers und einer strengen Lehrerin.

Auch dass der Prozess durch den Rausschmiss des ersten Anwalts von Frank S. verzögert wurde, wusste Havliza zu verhindern. Seinen Verteidigern hatte der Mann stets Respekt und Vertrauen versagt, er sprach von "Totalausfällen". Jasper Marten, der am Ende als letzter Verteidiger übrig blieb, musste sich gar als "linksradikaler Speichellecker" bezeichnen lassen.

Durch das Urteil hat Havliza dem Angeklagten die Grenzen aufgezeigt. Sie hat sich mit seiner Sicht der Dinge auseinandergesetzt, seine Äußerungen ernst genommen. Dennoch hat sie sich klar von seinen Verschwörungstheorien distanziert und ihm mit einem milden Urteil das Augenmaß des Rechtsstaats gezeigt, den Frank S. negiert und mit seinem Attentat auf Henriette Reker bekämpfen wollte.

Zu einem Ende ist der Prozess noch nicht gelangt. Frank S. kündigte noch im Verhandlungssaal an, in Revision zu gehen. "Mit einem richtigen Anwalt", das waren seine letzten Worte.

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