Köln Agrippina - machtgierig und brutal

Köln · Mit einer spannenden Ausstellung feiert Köln den 2000. Geburtstag seiner Stadtmutter, der römischen Kaiserin.

 Die überlebensgroße Statue der Kaiserin Agrippina aus Grauwacke. Erst im Jahr 1885 hatte man in Rom Bruchstücke gefunden und zusammengefügt.

Die überlebensgroße Statue der Kaiserin Agrippina aus Grauwacke. Erst im Jahr 1885 hatte man in Rom Bruchstücke gefunden und zusammengefügt.

Foto: dpa

Ach, Tacitus! Die Kölner sind halt ein unbelehrbares Völkchen und beherzigen seine weisen Worte nicht. Hatte doch der berühmte Geschichtsschreiber Roms dafür plädiert, den "Geburtstag Agrippinas unter die Unglückstage" zu rechnen. Was aber geschieht? Köln feiert den 2000. Geburtstag dieser verhängnisvollen Dame mit einer edlen Schau im Römisch-Germanischen Museum und nennt sie gar die "Kaiserin aus Köln".

Nun, für beide Sichtweisen gibt es Gründe. Beginnen wir mit der naheliegenden, mit jener aus Köln also. Dort ist Agrippina am 6. November 15 n. Chr. zur Welt gekommen, wahrscheinlich in der Villa ihres Vaters Germanicus, nahe dem historischen Rathaus. Agrippina blieb nur ein gutes Jahr am Rhein, ehe sie samt Familie an den Tiber nach Rom zog. Glückliches Köln!

Noch glücklicher durften sich die Rheinländer schätzen, dass die Frau mit ausgeprägtem Herrscher-Gen zeit ihres keineswegs langen Lebens (44 Jahre insgesamt) nicht mehr nach Köln zurückkehrte, sich dafür aber ihrer Geburtsstadt sehr wohlmeinend erinnerte. Aus römischer Ferne gab sie der noch kleinen Stadt erst einmal ihren Namen - Colonia Claudia Ara Agrippinensium - und erteilte ihr dann noch den Rang einer Bürgerkolonie. Was sich so mickrig anhört, war Kölns Aufstieg in die Champions-League römischer Provinzstädte. Plötzlich war man auf Augenhöhe mit Pompeji und Karthago; Händler und Handwerker kamen, vor allem aber wohlhabende römische Veteranen aus dem gesamten Imperium. Kölns wirtschaftliche Grundsteinlegung war diese Namensgebung.

Kölner sind ein treues Völkchen und erinnern sich darum ihrer Wohltäterin und Stadtmutter noch gerne. Nicht nur die Ausstellung ist ein Beleg dafür, sondern auch der Umstand, dass nach städtischer Information Agrippina bis heute ein beliebter Zweitnamen für neugeborene kölsche Mädchen sein soll.

Die Kehrseite dieser bedenkenswerten Frau ist ihr enthemmt scheinendes Machtstreben. Zwar ist es erfreulich, wie einflussreich eine Frau bereits in der römischen Antike sein konnte. Als Vorbild ist sie dennoch nicht tauglich. Denn die Methoden ihrer politischen Durchsetzung kann man nicht mehr als zeitgemäß bezeichnen.

In ihren drei Ehen schien sie sich zunächst für ihre Karriere planmäßig auszustatten. Aus der ersten ging ein Kind hervor - das war Nero -, mit der zweiten kam sie zu reichlich Geld, mit der dritten schließlich erlangte sie Macht. Kaiser Claudius hieß der Auserkorene, der ihr Onkel war und einen verhängnisvollen Fehler beging: Auf Drängen seiner hübschen Kaiserin legte er fest, dass sein Nachfolger als Kaiser Roms kein anderer als Agrippinas Sohn Nero sein sollte. Damit hatte er praktisch sein eigenes Todesurteil ausgestellt, das die Gattin mit Hilfe eines vergifteten Pilzgerichts exekutierte.

Die Frau war damit am Ziel ihrer Machtträume. Doch der Familienspross fühlte sich mit der starken Mama im Rücken nicht gerade wohl. So inszenierte er ein Schiffsunglück, bei dem Agrippina ertrinken sollte. Allerdings konnte sie schwimmen und sich zum Leidwesen des jungen Herrschers ans Ufer retten. Nero griff also zu gröberen Methoden und ließ seine Mutter erschlagen. Das war im Jahr 59 n. Chr.

Wie um alles in der Welt lässt sich das darstellen? Am besten spektakulär. Und so erwartet den Besucher gleich am Anfang ein sensationelles Zusammentreffen: Erstmals nach 2000 Jahren sind in Köln von der überlebensgroßen Statue der Kaiserin der Rumpf - aus Rom kommend - mit deren Originalkopf - aufbewahrt in Kopenhagen - wieder an einem Ort vereint.

Da steht sie nun, die Zweigeteilte, aus Grauwacke, einem beängstigend dunklen Gestein. Doch nicht etwa die Farbsymbolik war in der Antike für die Steinwahl ausschlaggebend, sondern die Beschaffenheit des Materials. Grauwacke gilt als unverwüstlich. Doch da man im alten Rom keinen Wert mehr auf das Andenken der Kaiserin gelegt hatte, wurde selbst diese Statue mit erheblichem Aufwand zertrümmert. Die Einzelteile aber entdeckte man 1885 in Rom wieder.

Historische Puzzlearbeit wird also schon mit dem Schicksal der Statue greifbar. Um sie herum dann viele Köpfe ihrer Familie, der hübschen Schwestern, der anderen Kaiser. Eine Galerie der Macht mit Gesichtern, die Ernst und Wille ausstrahlen sollen. An einer Wand findet sich der Stammbaum des iulisch-claudischen Kaiserhauses. Jeder der Sippe, der ermordet wurde, ist mit einem Blutstropfen markiert. Der Stammbaum ist voll davon.

Um einen Eindruck vom Leben der Kaiserin zu bekommen, fehlt es natürlich an Material. Und doch geben Accessoires wie Kämme, Spiegel und Haarnadeln zusammen mit den Marmor-Büsten als Demonstrationen einer Weltmacht ein ordentliches Gefühl für kaiserliches Leben in der Antike. Übrigens auch seiner Moden. Selbst dabei soll Agrippina tonangebend gewesen sein. Ihre viele kleinen Löckchen setzten einen Trend, der über Münzen mit ihrem Antlitz verbreitet und überall im Reich alsbald Nachahmerinnen fand.

Agrippina ist in - bis heute und vor allem in Köln. Eine Versicherung ist dort nach ihr benannt, ebenso ein Zigarren-Sortiment, ein Fußballverein und ein Streich-Quartett. Besonders beschwingt knüpft ein Kräuterlikor mit seinem Namen an die antike Vergangenheit Kölns an: "Mama Nero".

(los)
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