Youtuber "Herr Currywurst" aus Kleve "Ich mache nur, was mir Spaß macht"

Kleve · Der Klever Kevin Dorissen betreibt hauptberuflich seinen Youtube-Kanal "Herr Currywurst". 65 Millionen Mal wurden die Videos, in denen er Online-Games spielt, schon angesehen. Dorissen kann vom Zocken leben - und ist glücklich damit.

 Kevin Dorissen (22) aus Kleve in seinem Jugendzimmer. Dort ist, neben seinem Arbeitsgerät, dem Computer, auch ein Käfig mit Meerschweinchen untergebracht.

Kevin Dorissen (22) aus Kleve in seinem Jugendzimmer. Dort ist, neben seinem Arbeitsgerät, dem Computer, auch ein Käfig mit Meerschweinchen untergebracht.

Foto: Markus van Offern

Als Kevin Dorissen die Messe Gamescom in Köln besuchte, um neue Spiele zu testen, riss er sich die Kreuzbänder - eine klassische Sportverletzung. Dafür muss man wohl mit Leib und Seele in der Welt des Gamings unterwegs sein. Kevin Dorissen verdient sein Geld mit Videos auf Youtube. Er kommentiert seine Spiele und lädt sie hoch.

Dabei reiht er sich in eine ganze Gruppe von Menschen ein, die mit "Let's-Play"-Videos ihr Geld verdienen. "Ich bin sehr glücklich, habe einen gut bezahlten Vollzeitjob und mache nur, was mir Spaß macht", sagt er. In seinen Videos spielt er beinahe alle Online-Games: Horror-Spiele wie "Until Dawn", Ego-Shooter-Spiele wie "Call of Duty" und ganz aktuell "Guts and Glory", bei dem er in einer virtuellen Welt versucht, auf einem Fahrrad Hindernissen auszuweichen. Während er spielt, wird er wütend, resigniert, oder feiert sich ekstatisch: "Das darf doch nicht wahr sein", schreit er in sein Mikrophon. Seine Videos sind aufwendig produziert, fast täglich veröffentlicht er einen Zusammenschnitt. "Ich bin bin in den meisten Games kein überragender Spieler. Es ist meine Aufgabe, die Leute mit meinen Kommentaren zu unterhalten", sagt Dorissen.

Für diese Aufgabe ist er bei der Firma PlayMassive seit zwei Jahren fest angestellt. Über sein Gehalt darf er nicht sprechen, erklärt aber: "Ich kann davon sehr gut leben." Sein Name "Herr Currywurst" ist ihm spontan eingefallen: "Ich habe einmal nachgedacht. Was ist mein Lieblingsessen? Currywurst. Dann eben Herr Currywurst", sagt er. Dorissen ist 22 Jahre alt und spielt gerne Fußball. Er wohnt bei seinen Eltern in seinem Jugendzimmer, von wo aus er hunderttausende Menschen mit seinem "Zocken" erreicht. Er ist freundlich, lächelt durchgängig und unterhält sich gerne, sehr gerne.

Zu seinen früheren Klassenkameraden der Karl-Kisters-Realschule hat er keinen Kontakt mehr. "Wir haben eben völlig andere Wege eingeschlagen", sagt er. Während sie heute einer Ausbildung nachgehen oder sich bereits in einem Beruf befinden, spielt Dorissen Computer - und zwar den ganzen Tag und gegen Bezahlung. "Was ich hier mache, ist richtige Arbeit. Meistens arbeite ich länger als neun Stunden am Tag", sagt Dorissen. Für ein Video spielt er etwa zwei Stunden. Dann muss er dieses Material aber noch schneiden, bearbeiten und hochladen. "Es ist wie bei konventionellen Jobs. Manchmal macht es keinen Spaß, dann muss ich mich zur Arbeit quälen", sagt Dorissen.

Seine Mutter ist Reinigungskraft, sein Vater Lackierer. Dorissen wohnt zu Hause mit seinem Bruder. "Meine Familie hat mich immer bei meinem Vorhaben, mit dem Computerspielen Geld zu verdienen, unterstützt. Insbesondere mein Vater", sagt Dorissen. Von seinem Vater habe er auch sein Unterhaltungstalent. "Ich war früher schüchtern, unauffällig und konnte schlecht auf Leute zugehen. Durch meine Arbeit bin ich selbstbewusst geworden. Ich bin jetzt ein offener Mensch. Und dennoch habe ich häufig mit Selbstzweifeln zu kämpfen. Häufig steht mir das im Weg", sagt Dorissen. Seine Freundin Tanja Fauck, 18 Jahre alt, aus Bayern, die er auf der Gamescom kennengelernt hat und die ihn für einige Wochen in Kleve besucht, sieht bei ihrem Freund eine weitere Schwäche: "Manchmal ist er sehr im Stress und dann reizbar." Gestresst beim Computerspielen.

2010 begann Dorissen mit seinem Kanal bei Youtube. Seitdem steigt die Zahl seiner Abonnenten konstant, heute liegt sie bei etwa 340.000. "Es kann sein, dass die Leute mich irgendwann nicht mehr sehen wollen. Darauf bin ich vorbereitet. Ich bin gut vernetzt in der digitalen Welt. Dort würde ich sicherlich eine andere Tätigkeit finden", sagt er. Zu diesem Netzwerk gehört zum Beispiel sein Freund "Gronkh", mit bürgerlichem Namen Erik Range, dessen Kanal fast fünf Millionen Abonennten zählt. "Gronkh" und "Herr Currywurst" treffen sich regelmäßig online und im realen Leben. Online-Stars unter sich.

Dorissen ist durch seine Bekanntheit zu einem Vorbild geworden: "In den vergangenen Wochen habe ich alle Follower dazu aufgerufen, wählen zu gehen. Die Leute hören durchaus auf mich", sagt Dorissen. Eine große Verantwortung für einen jungen Menschen, auch wenn ihm der Ruhm nicht immer liegt: "Ich musste auf der Gamescom Autogramme schreiben. Ich bin auf meine Community sehr stolz, aber manchmal ist mir das unangenehm. Ich bin nämlich kein Star wie ein Fußballspieler".

Viele Fußballer würden glücklich sein, wenn ihnen 65 Millionen Menschen in ihrer Karriere zugeschaut hätten. So viel Zuschauer hatte Dorissen bereits. Ein weiterer Unterschied: Mit einem Kreuzbandriss säßen sie auf der Bank. Kevin Dorissen kann damit einfach weiterspielen.

(RP)
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