Kranenburg "Wir brauchen sofort Unterstützung"

Kranenburg · Im WDR 5-Stadtgespräch richtete Kinderarzt Dr. Wolfgang Brüninghaus einen Appell an Vertreter der Krankenkassen und Politik: Wenn man nicht schnell auf den Ärztemangel reagiere, brechen die Versorgungsstrukturen zusammen.

 Ludger Kazmierczak (im Hintergrund) moderierte, vorne in der Mitte Kranenburgs nachdenklicher Bürgermeister Günter Steins.

Ludger Kazmierczak (im Hintergrund) moderierte, vorne in der Mitte Kranenburgs nachdenklicher Bürgermeister Günter Steins.

Foto: Gottfried Evers

Lange Wartezeiten, weite Fahrten, überfüllte Wartezimmer - auf dem Land ist der Arztbesuch bisweilen eine große Herausforderung. In der Gemeinde Kranenburg, die seit vielen Jahren besonders vom ländlichen Ärztemangel betroffen ist, lud der WDR zum Stadtgespräch mit dem Thema "Warten, bis der Arzt kommt" ein.

Die Diskussion im Bürgerhaus führten die WDR-Moderatoren Thomas Koch und Ludger Kazmierczak mit dem Klever Kinderarzt Dr. Wolfgang Brüninghaus, dem Barmer-Chef für NRW Heiner Beckmann, dem Bundespatientenbeauftragten und Staatssekretär Karl-Josef Laumann (CDU) sowie Dr. Heiko Schmitz, dem Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein. Kranenburg wartet seit neun Jahren auf eine zweite Allgemeinarztpraxis zur Versorgung der knapp 10.000 Einwohner. Und auch in Kleve gibt es arge Versorgungsprobleme: Zwar ist die Kreisstadt laut Bedarfsplanung der KV Nordrhein mit Kinderärzten überversorgt. In der Praxis sehe das jedoch ganz anders aus, wie Dr. Brüninghaus - einer von zwei Kinderärzten in Kleve - berichtete: "Wir sind sehr stark ausgelastet und können nicht mehr alle Kinder versorgen, die uns vorgestellt werden. Das hat zur Folge, dass Eltern mit ihren Kindern weinend vor unserer Praxis stehen und um Versorgung betteln." Von den Kassen fühlt sich der Mediziner im Stich gelassen: "Wenn Patienten sich bei der KV oder den Krankenkassen beschweren, dann erhalten sie die Antwort, dass Kleve zu 126 Prozent mit Kinderärzten überbesetzt sei. Da muss ich sagen, dass wir uns alleine gelassen fühlen. Wir haben die Sorgen und Streitigkeiten mit den Patienten, und wenn uns dann erklärt wird, das wär doch alles prima - das stimmt nicht."

Dass er die Bedarfsplanung für verfehlt hält, machte Brüninghaus mithilfe eines Vergleichs deutlich: Bei gleichem Versorgungsgrad müsse ein Kinderarzt in Düsseldorf 1580 Patienten versorgen, in Kleve hingegen 2430. Ein Plus von rund 50 Prozent finde sich in vielen anderen Fachrichtungen, etwa bei Orthopäden. "Die sogenannten Versorgungsgrade täuschen die Bürger über die Verhältnisse hinweg und ich bin überzeugt davon, dass das Absicht ist", so Brüninghaus.

KV-Sprecher Dr. Heiko Schmitz sagte, das Problem der Unterversorgung in Kleve und Kranenburg sei bekannt. "Wir sehen ein Versorgungsproblem insbesondere im Nordkreis und haben signalisiert, dass wir sehr gesprächsbereit sind und einem Sonderbedarf zuzustimmen", so Schmitz. Entscheidend sei allerdings, ob sich ein Mediziner für die Stelle finde, so der KV-Vertreter.

Dass die Nachwuchsgewinnung für den ländlichen Bereich immer schwieriger wird, bestätigte Staatssekretär Karl-Josef Laumann. Ein Grund sei, dass viele Studenten die Arbeit in der Großstadt oder im Krankenhaus vorziehen, auch gebe es zu wenige Studienplätze. Dem müsse man in Zusammenarbeit mit den Universitäten weiter entgegenwirken. Die KV könne die Niederlassung im Klever Raum aber auch durch eine Anpassung der Versorgungsbezirke oder durch zusätzliche Honorierungen attraktiver machen. Auf eine kurzfristige Lösung müssen auch die Patienten im Klever Raum hoffen, wie Brüninghaus verdeutlichte: "Wir haben keine Zeit mehr. Bei uns brechen die Versorgungsstrukturen in zwei oder drei Jahren zusammen, das heißt, wir brauchen sofort Unterstützung."

(RP)
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