Kleve Wenn aus Macho-Gehabe ein tödlicher Kampf wird

Kleve · TheaterTotal mit "Romeo und Julia" in der Klever Stadthalle. Stück geht auf Deutschlandtournee.

Ein atemberaubendes Bild, gleich zu Beginn des Stückes: Alle Schauspieler haben die beiden schwindelerregend hohen Treppentürme erklommen, die das gesamte Bühnenbild ausmachen. Nun steht die Truppe reglos dort oben, in blutrotes Licht getaucht, und singt einen lupenreinen Akkord - kraftvoll, düster, langsam anschwellend.

Der erste Eindruck bestätigte sich im Laufe der denkwürdigen "Romeo und Julia"-Inszenierung, mit dem TheaterTotal aus Bochum (Regie: Barbara Wollrath-Kramer) in der Klever Stadthalle gastierte: Diese jungen Schauspieler leben nicht nur mit Inbrunst ihre Rollen, sondern können auch noch wunderbar singen.

Dies alles gehört zum Konzept von TheaterTotal, einem zehnmonatigen Intensivprojekt, an dem jährlich rund 30 Jugendliche teilnehmen und das von einer opulenten Deutschlandtournee gekrönt wird. Die Mitglieder erhalten nicht nur Schauspiel-, Gesangs- und Tanzunterricht, sondern auch Einblicke in alle anderen Theaterberufe, werden Schauspieler mit Haut und Haar, inklusive Grenzerfahrungen und durchgeprobter Nächte.

Genauso kompromisslos stürzten sich die jungen Künstler in den Shakespeare-Klassiker, erweckten die Geschichte von den zwei verfeindeten Familien zu neuem Leben. Dabei verliehen die Gesangseinlagen (Einstudierung: Rosani Reis, Komposition: Lukas Schäfer) der Inszenierung noch einen zusätzlichen Glanz.

Gänsehaut verursachte etwa ein Gesangstrio auf dem Ball der Capulets, das die erste Begegnung von Romeo und Julia atmosphärisch untermalte.

Marie Bretschneider gab eine wunderbar sensible Julia, vor Glück strahlend oder zu Tode verzweifelt - und stets bewacht von ihrer fürsorglichen Amme (herrlich komisch: Madeleine Forst).

Leon Brüggemann verkörperte einen rührend väterlichen Pater Lorenzo, und auch Maxim Kurze überzeugte als von Liebe verzehrter Romeo, der in der Balkonszene auf den hochkant gestellten Treppentürmen wahre Akrobatikleistungen vollbrachte.

Dieses magisch wandelbare Bühnenbild (Dorothee Bielfeld) war ein besonderer Kunstgriff der Inszenierung. Ständig wurden die beiden Blöcke gedreht, verschoben, gekippt - teils mit darauf balancierenden Schauspielern - und ineinander verschränkt.

Eindrucksvoll gelangen auch die Tanz- und Fechtchoreographien, in denen die verfeindeten Gangs vorführten, wie schnell aus testosterongeladenem Machogehabe ein tödlicher Kampf werden kann.

Langer Applaus für eine gelungene Inszenierung.

(RP)
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