Kleve/Kranenburg/Nimwegen Von Dampflok "Pluto" bis zur Draisine

Kleve/Kranenburg/Nimwegen · Vor 150 Jahren begann der Schienenbetrieb auf der Bahnlinie zwischen Kleve und Nimwegen - am 8. August 1865. Die Strecke hatte eine wechselvolle Geschichte. Seit dem "Aus" im Jahr 1991 ist Kleve nur noch ein Sackbahnhof.

 Eine Dampflokomotive verlässt den Kranenburger Bahnhof Richtung Niederlande. Im Hintergrund ist die Fußgängerbrücke zu sehen.

Eine Dampflokomotive verlässt den Kranenburger Bahnhof Richtung Niederlande. Im Hintergrund ist die Fußgängerbrücke zu sehen.

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Am 8. August 1865 zog das gewaltig dampfende Stahlross "Pluto" 20 mit geladenen Gästen besetzte Eisenbahnwaggons von Kleve über Kranenburg nach Nimwegen in den Niederlanden - und in der gleichen Nachmittagsstunde wieder zurück. So wurde diese Bahnstrecke heute vor 150 Jahren offiziell eröffnet.

 Alfons Thielen (heute 92), vier Jahrzehnte Vorsitzender des Kranenburger Verkehrsvereins, mit Kelle inmitten bei einer Sonderfahrt 1991.

Alfons Thielen (heute 92), vier Jahrzehnte Vorsitzender des Kranenburger Verkehrsvereins, mit Kelle inmitten bei einer Sonderfahrt 1991.

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Tags darauf lief der grenzüberschreitende Eisenbahnverkehr mit einem Halt an der Bahnstation in Kranenburg planmäßig an. Die Fahrzeit für die 28 Kilometer lange Strecke betrug damals 40 Minuten. Jeder Fahrgast zahlte (mit Rückfahrt) in Wagenklasse I 24 (36) Silbergroschen, in II 17 (26) und in III 12 (18). Zum Vergleich: Der Preis für ein Pfund Butter betrug in jener Zeit vier Silbergroschen.

 Jakob Voss, 1995 Lokführer und Bürgermeister in einer Person.

Jakob Voss, 1995 Lokführer und Bürgermeister in einer Person.

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Gebaut wurde die Strecke hüben wie drüben von Bahngesellschaften. Die Eigentümer wechselten später wiederholt. Deutschland, seit 1871 geeint, unterstellte 1920 alle Strecken der Reichsbahn. Zusätzliche Haltestellen wurden in Donsbrüggen, Nütterden und Groesbeek eingerichtet, 1952 kam mit dem Einsatz der neuartigen Schienenbusse der Haltepunkt Frasselt hinzu. Heute lässt sich die Bedeutung der damaligen Anbindung an das rapide dichter werdende Eisenbahnnetz vielleicht am ehesten mit dem Bau der niederrheinischen Autobahnen A 3 und A 57 vergleichen.

 Eine Diesel-Lokomotive verlässt Kranenburg in Richtung Kleve.

Eine Diesel-Lokomotive verlässt Kranenburg in Richtung Kleve.

Foto: Gemmeindearchiv/privat

Nun waren die Kutschfahrten zwischen Nimwegen und Kleve nicht mehr gefragt. Bad Kleve verlor viele Kurgäste; denn die Niederländer konnten nun mit dem Zug entferntere Ziele erreichen. Aber Kleve profitierte als Durchgangsstation. Zwei Jahre bestand schon die Verbindung nach Krefeld. Nimweger konnten dann per Eisenbahn nach Arnheim fahren, bis 1879 aber nur über Kleve-Spyck-Fähre-Elten. Für die Direktroute hatte man wegen der teuren Brücken über Waal und Rijn noch nicht genug Geld. Die Bahnlinie Duisburg-Xanten stieß erst 1904 bis Kleve vor. Die Eisenbahn wurde zum wichtigsten Transportmittel für Menschen und Güter. Erst nach dem Wirtschaftswunder machte das mobilere Auto vor allem in ländlichen Gegenden den Schienenverkehr unrentabel.

 Straßenbahn-Überführung zwischen Kranenburg und Nütterden.

Straßenbahn-Überführung zwischen Kranenburg und Nütterden.

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Am 9. August 1909 beehrten Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Augusta Viktoria das nun 300 Jahre zu Preußen gehörende Kleve mit ihrem Besuch. In Kranenburg - so weiß Bahn-Urgestein Alfons Thielen (1937 bis 1987 im Bahndienst) zu berichten - habe man im gleichen Jahr wegen des zweiten Geleises auf Drängen der zum Reichswald hin wohnenden Bürger an der Ostseite des Bahnhofs eine Fußgängerbrücke über die Schienenstränge gebaut.

Aber zum Einkaufen, zur Kirche, zur Schule oder sonst wohin empfanden Bürger den Umweg über den nächsten beschrankten Bahnübergang als Zumutung. Als am 26. Juli 1926 die Belgier die Grenzgemeinde räumten, habe Bürgermeister Meller einen Sternmarsch zum 1910 neu gebauten Bahnhof organisiert. Ein Kuriosum bot von 1912 bis 1962 die Überführung an der B 9: Eine Rampe ermöglichte der Straßenbahn die kreuzungsfreie Überquerung der Eisenbahntrasse.

Einschränkungen und Rückschläge für die Bahnstrecke brachten beide Weltkriege. In den Frontmonaten lief gar nichts. Nach 1945 rollten unzählige Waggons mit Kohlen und Briketts über die Grenze. Oft setzten in der Dunkelheit nicht frieren wollende Leute das Einfahrtssignal auf "Halt", um dann hurtig Brennmaterial abzuwerfen. Das zweite Gleis verschwand als Reparationszahlung.

Jakob Voss hat als Lokführer auch viele Jahre (1955-1995) auf der Grenzstrecke den Schienenbus bedient. Als die Bahn diesen Steuermann entließ, lenkte er bis 1999 als ehrenamtlicher Bürgermeister in Kranenburg die Ratssitzungen in der Gemeinde weiter.

Immer war die Bahn ein begehrter Arbeitgeber. Im Bereich Marienbaum - Kevelaer-Wetten und Altkreis Kleve beschäftigte sie maximal 300 Personen - so Günter Janssen (1957-1997). Heute könne man die hiesigen Bahner hingegen fast an einer Hand aufzählen.

Kranenburg war durch den Zoll und Speditionen, besonders durch den Blumenversand Willemse, D-Zug-Station, auch für den von 1966-1986 hier haltenden Austria-Express Amsterdam-München-Wien von Bedeutung. Aber die Verlagerung des Güterverkehrs und der Wegfall der Grenzen führten am 1. Juni 1991 zur Stilllegung der Strecke. Auf den Schienen rollen seit 2008 nur noch Draisinen. Kleve blieb der Sackbahnhof, Kranenburg hatte keinen Zug zur Welt mehr. Heute lädt ein Radweg neben dem Gleiskörper dazu ein, die Strecke abzufahren.

(RP)
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