Kleve/Kalkar Vom Spielzeughändler zum Bordellchef

Kleve/Kalkar · Freitag wurde vor dem Landgericht Kleve der Prozess gegen einen 70-jährigen Mann aus Kalkar eröffnet. Der Besitzer eines "Erotik-Clubs" soll knapp 620.000 Euro Steuern hinterzogen und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt haben.

 Wusste nicht, welche Abgaben er zahlen musste: Der angeklagte Bordell-Betreiber mit seinen Verteidigern.

Wusste nicht, welche Abgaben er zahlen musste: Der angeklagte Bordell-Betreiber mit seinen Verteidigern.

Foto: Stade

Der 70-Jährige sitzt recht entspannt auf der Anklagebank. Ein gemütlich wirkender Mann mit Doppelkinn und Bauchansatz. Ruhepuls 60. Dabei hätte er durchaus Gründe, nervös zu sein. Die Staatsanwaltschaft Kleve wirft dem in Kalkar lebenden Mann vor, 619.897 Euro Steuern hinterzogen und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt zu haben. Der 70-Jährige ist Besitzer eines "bordellartigen Betriebs" in Kalkar, der "Haus Manier" heißt. Hier wohnt er gemeinsam mit den Damen, für deren Dienste er nach Ansicht der Ankläger Abgaben nicht ordnungsgemäß entrichtet hat.

Der Versuch einer Verständigung zwischen den Prozessbeteiligten scheiterte. Dem 70-Jährigen ging es alleine darum, an einer Inhaftierung vorbeizukommen. Für den Klever Staatsanwalt Hendrik Timmer war jedoch die Grundbedingung für eine Verständigung, dass am Ende eine nicht bewährungsfähige Strafe steht. Somit stand der weiteren Verhandlung nichts mehr im Weg.

Zunächst wollte Christian Henkel, Vorsitzender Richter, vom Angeklagten etwas über dessen Lebenslauf wissen. Bereitwillig gab der Mann Auskunft. Geboren in Berlin, absolvierte er nach der mittleren Reife eine Lehre als Vertreter. "Ich war nahezu mein ganzes Berufsleben lang selbstständig", sagt der 70-Jährige. Sein damaliges Fachgebiet: Er verkaufte Kinderspielzeug. Zwischenzeitlich führte er drei Spielzeuggeschäfte in Bocholt, Gelsenkirchen und Warendorf. Probleme hatte er, die Geburtstage seiner Kinder korrekt zu nennen, um zehn Jahre lag er daneben.

Nach der Trennung von seiner ersten Frau übernahm diese zwei seiner drei Läden. Seit 1995 ist er mit einer Ukrainerin verheiratet, die beste Kontakte ins Rotlichtmilieu pflegte. Die Osteuropäerin arbeitete selbst als Prostituierte. Aber nur kurzzeitig, wie der Club-Besitzer betonte.

 "Haus Manier" - vier Zimmer für den Beischlaf.

"Haus Manier" - vier Zimmer für den Beischlaf.

Foto: G. Evers

Das "Haus Manier", indem die Animierdamen ihrem Tag- und vor allem Nachtwerk nachgehen, hatte der Kalkarer ersteigert. Hier soll er - mit einer kleinen Unterbrechung - zwischen 2003 und 2014 durch den Prostitutionsbetrieb die Abgaben hinterzogen haben. Hilfreich für die Ermittler war die saubere Buchhaltung der Bordell-Chefin. So fanden sie in der Küche einen Block, in dem festgehalten wurde, welche Prostituierte in welchem Zimmer um welche Uhrzeit wie lange ihre Leistungen erbracht hatte.

Das Geschäftsmodell sah so aus, dass sich der Angeklagte und die Frauen die Einnahmen teilten. Die Kunden zahlten den Betrag an die Animierdamen. Diese mussten die Beträge, die auch "Stichgelder" genannt werden, in einen Umschlag stecken und in einen im Haus angebrachten Briefkasten werfen.

Für die Unterkunft, so der Staatsanwalt, hätten die Frauen zehn Euro pro Tag zahlen müssen und zusätzlich zehn für die Verpflegung. Kondome, so Timmer, mussten bei der Betriebsführung gekauft werden. "Die habe ich aber zum Selbstkostenpreis abgegeben", sagt der 70-Jährige.

Bis Mitte 2011 kosteten 30 Minuten Liebesdienst 110 Euro, für eine Stunde gab's Rabatt (160 Euro). Extra-Leistungen wurden auch extra abgerechnet. Das Geld für die Zusatzdienste hätten die Damen jedoch behalten dürfen, betonte der Angeklagte. Als das Geschäft nicht mehr so florierte, wurden die Preise gesenkt. 130 Euro zahlte ein Freier dann für die Stunde. Ein Grund für die rückläufigen Einnahmen war die Altersstruktur der Kunden. "Bei uns verkehrten nur wenig junge Leute", sagte der Chef.

Drei Frauen arbeiteten durchschnittlich in dem Etablissement. "Die kamen aber alle aus Europa", betont der Kalkarer. Genauer: Nahezu ausnahmslos stammen die Beschäftigten aus dem osteuropäischen Raum.

Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft hat der Bordellbesitzer lediglich die 50 Prozent der Einnahmen angegeben, die er kassierte. Er hätte dies jedoch auch für den Teil der Prostituierten tun müssen, da sie Angestellte seien. Der Anwalt des Bordell-Chefs erklärte, dass sein Mandant der Anklage nicht entgegenstehe. "Er hatte keine Erfahrung auf diesem Geschäftsgebiet. Es wird ihm zurecht vorgeworfen, dass er nicht mit Selbstständigen gearbeitet hat", sagt der Verteidiger.

Auf die Frage von Henkel, woran es denn liege, dass die Einnahmen in den Monaten enorm schwanken, antwortet der 70-Jährige: "Allein an der Qualität der Frauen." Und genau diese Frauen werden am nächsten Prozesstag (Dienstag, 12. April, ab 9 Uhr) vor dem Gericht als Zeuginnen gehört, um qualitativ gute Aussagen zu machen.

(jan)
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