Leichtathletik Wenn Steintorlauf auf Abi-Entlassung trifft

Kleve · In Goch lagen zwei wichtige Ereignisse nur wenige Meter voneinander entfernt. Bei der Entlassfeier der Abiturienten im städtischen Gymnasium war feiner Zwirn angesagt, beim Steintorlauf im benachbarten Stadion bestimmte hingegen Freizeitkleidung das Bild.

 Wenige Augenblicke nach dem Startschuss zum Fünf-Kilometer-Lauf sprang Tim Schüttrigkeit (l.) vom restlichen Feld weg, hinter ihm reihten sich in den roten Trikots Kai Schmidt (Viktoria Goch) und Marcel Gnoß (SV Sonsbeck) ein.

Wenige Augenblicke nach dem Startschuss zum Fünf-Kilometer-Lauf sprang Tim Schüttrigkeit (l.) vom restlichen Feld weg, hinter ihm reihten sich in den roten Trikots Kai Schmidt (Viktoria Goch) und Marcel Gnoß (SV Sonsbeck) ein.

Foto: Klaus-Dieter Stade

Große Bereiche der Parkplätze zwischen Gymnasium und Hubert-Houben-Stadion waren am Samstag mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Der Grund dafür offenbarte sich einem erst am späten Nachmittag, als auf Hochglanz polierte Karossen den reservierten Parkraum ansteuerten und daraus junge Menschen in festlicher Kleidung und deren Eltern in nicht minder feinem Tuch entstiegen. Im städtischen Gymnasium wurden nämlich die Abiturienten entlassen. Dagegen war im benachbarten Hubert-Houben-Stadion bei angenehmen äußeren Bedingungen legere Sportkleidung angesagt. Zum 23. Mal wurde der Gocher Steintorlauf ausgetragen, der zum dritten Mal mit Start und Ziel ins Stadion ging und dessen längere Laufstrecken durch die benachbarten Wohngebiete führten.

Mehr als 100 Helfer der Gocher Viktoria hatten sich in den Wochen vorher ins Zeug gelegt, um am Veranstaltungstag den knapp 1200 Teilnehmern ein guter Gastgeber zu sein. "Ich glaube, dass uns das auch diesmal wieder gelungen ist", sagte Johannes Artz, ein Hans-Dampf in vielen Gassen des Sports - und seit seiner Pensionierung vor einem Jahr längst nicht mehr nur in den Gassen, die in rot und schwarzen Farben als die der Viktoria auszumachen sind.

Bereits im Vorfeld des Steintorlaufes machten ihm die leicht rückläufigen Teilnehmerzahlen Kopfzerbrechen. Einen Grund dafür machte der Abteilungsleiter der Viktoria-Leichtathleten neben dem WDR-Spektakel in Kleve in der Entlassfeier der Abiturienten aus. "Das kostet uns in den Läufen für die weiterführenden Schulen einige Teilnehmer", sagte Artz, der aus den Erfahrungen der vergangenen Jahren weiß, dass viele Abiturienten den Steintorlauf als ein letztes gemeinsames Ereignis zum Ende ihrer Schulzeit mitgenommen haben.

Den eingeschränkten Parkraum für die eigene Veranstaltung konnte man seitens der Viktoria-Organisatoren noch am ehesten verschmerzen, was die Anwohner der Zufahrtswege zum Stadion vielleicht etwas anders gesehen haben mögen. Stoßstange an Stoßstange standen die Autos bis in die Wohngebiete, die Laufstrecke schließlich sollte davon möglichst unberührt bleiben.

Bunt wurde es zu Beginn der fünfstündigen Veranstaltung, als die 23. Auflage des Steintorlaufes mit den Mini- und Schulläufen ihren Anfang nahm. Mit einigem Stolz trugen später die Laufanfänger Urkunde und Medaille nach Hause, die Schnellsten durften unter dem Beifall der Eltern und Verwandten zudem einen silbern und blau glänzenden Pokal entgegen nehmen.

Bevor sie die Bühne verließen, rang ihnen Artz, der die Siegerehrung im Nachwuchsbereich durchführte, schnell noch die Zusage dafür ab, dass sie auch im nächsten Jahr die Laufschuhe wieder anziehen und sich in das Läuferfeld des Steintorlaufes einreihen. "Na, klar, doch", kam es nahezu geschlossen aus den kindlichen Kehlen. Sollte es doch eine andere Meinung gegeben haben, so ging diese in dem reichlich gespendeten Beifall unter.

Ein paar Meter von der Bühne der Siegerehrung entfernt, hatte Laurenz Thissen Stellung bezogen. "Seit 23 Jahren mache ich das jetzt hier am Mikrofon", sagte er und verwies auf sein schwarzes Köfferchen, auf dem Thissens Leben rund um den Langlauf durch Sticker aller möglichen Events abgebildet ist. Besondere Beachtung schenkte der 66-Jährige diesmal dem Rennen über fünf und zehn Kilometer. Beide Male blieb der Sieg im Klever Land.

Die kürzere Strecke dominierte erwartungsgemäß Tim Schüttrigkeit, der ein weiteres Mal seine beeindruckende Form unter Beweis stellte. Zum dritten Mal in Folge gewann der 18-jährige Speedläufer in Goch die fünf Kilometer lange Strecke - 2013 in 16:57 Minuten, 2014 in 15:59 Minuten und am Samstag in 15:28 Minuten. Jedes Mal war es ein Start-Ziel-Sieg, diesmal jedoch mit der Besonderheit, dass er am Abend vorher bei einem Sportfest bereits 5000 Meter auf der Bahn gelaufen war. Heraus kam dabei die sensationelle neue Bestzeit von 15:02 Minuten, womit der extrem schlanke Läufer sich gegenüber seiner bisherigen Bahnzeit um mehr als eine halbe Minute verbesserte. "Nein, nein, da habe sich keiner beim Aufschreiben der Runden verzählt", versicherte Schüttrigkeit auf eine diesbezügliche Frage, "die Zwischenzeiten lagen alle im Rahmen." Jetzt freue er sich verständlicherweise noch mehr auf die Deutschen Jugendmeisterschaften Ende Juli/Anfang August in Jena, auf die sein gesamtes Training ausgerichtet sei. Mit der neuen Rekordmarke von extrem "kleinen" 15 Minuten schob sich Schüttrigkeit über 5000 Meter auf den siebten Platz der diesjährigen deutschen U20-Bestenliste.

Armin Gero Beus aus Bedburg-Hau, der mehrfache Sylvesterlauf-Gewinner von Pfalzdorf und Mitglied der Sonsbecker Leichtathleten, brachte der Leistung des ehemaligen Viktoria-Leichtathleten größten Respekt entgegen. Ganz sicher war er auch ein bisschen froh darüber, sich nicht auf einen Temporitt mit dem Fünf-Kilometer-Sieger eingelassen zu haben, den er nur hätte verlieren können. Beus meldete sich für die zehn Kilometer an und beherrschte diese dann auch sehr souverän. Nach 35:26 Minuten war er im Ziel, nicht so schnell, wie er auf dieser Strecke schon unterwegs war. Doch an mehr sei bei seinen derzeitigen Trainingsumfängen, die unter dem noch ein Jahr andauernden dualen Studium leiden würden, nicht zu denken. Wie anstrengend der samstägliche Zehn-Kilometer Lauf war, machte ein Satz von ihm deutlich, der dem legendär gewordenen Interview bei der Fußball-WM in Brasilien zwischen ZDF-Mann Boris Büchler und Nationalspieler Peer Mertesacker entnommen ist. "Jetzt drei Tage lang in die Eistonne." Trotz des locker anmutenden Laufstils musste Beus wohl mehr beißen, als ihm lieb war.

Trotzdem: Zufrieden schienen beim Steintorlauf viele zu sein. Ob es der war, der den Gesamtsieg eintütete, oder jener, der nur lockeren Schrittes unterwegs war. Da nahmen sich die Moderatoren des Nachmittags nicht aus, die am Ende des Tages noch schnell einen Schluck ihres mittlerweile kalt gewordenen Kaffees tranken und sich versprachen, im nächsten Jahr wieder anzugreifen. "Zweimal Steintorlauf noch", sagte Thissen, dann sei für ihn auch in Goch das Moderatorenleben zu Ende.

(RP)
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