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Kleve · Ehemalige Fußball-Stars im Kleverland (1): In loser Folge erzählen Spieler von ihrer Karriere. Zum Auftakt berichtete Manfred Priewe von seiner Zeit bei NEC Nimwegen und dem SC Kleve 63. Aber nicht nur von seiner aktiven Zeit.

 Manni Priewe heute: So schöne Auswärtstrikots hatten die Blau-Weißen zu seiner Zeit.

Manni Priewe heute: So schöne Auswärtstrikots hatten die Blau-Weißen zu seiner Zeit.

Foto: M. van Offern

Eine im Amateurfußball weit verbreitete Selbsteinschätzung ist: Etliche Spieler, die es mal geschafft haben, in einer Klasse oberhalb der Kreisliga aufzulaufen, sind extrem selbstbewusst der Ansicht: "Wenn ich gewollt hätte, hätte ich viel höher spielen können." Einer, der viel höher spielte, behauptet das nicht. Manfred Priewe blickt ohne Wehmut auf seine Laufbahn zurück. "Wenn ich jetzt meine Karriere betrachte, bin ich zufrieden, so wie es gelaufen ist", sagt Priewe, den alle nur Manni nennen.

 Der SC 63 auf dem Weg nach vorne (v. l.): Henk Gärtner (nicht zu erkennen), Spielmacher Robbie Kuijpers, Klaus Hommers, Manfred Priewe und Achim Tenhaft.

Der SC 63 auf dem Weg nach vorne (v. l.): Henk Gärtner (nicht zu erkennen), Spielmacher Robbie Kuijpers, Klaus Hommers, Manfred Priewe und Achim Tenhaft.

Foto: Kds

Der 64-Jährige wurde in Kleve geboren und wollte eigentlich auch nie weg. Er spielte unter anderem in der Eredivisie, der ersten niederländischen Liga, der 2. Bundesliga und der Oberliga, die zu der Zeit die dritthöchste Spielklasse in Deutschland war. Die meisten Partien bestritt er jedoch für den Verein, in dem er groß wurde. Der SC Kleve 63, so hieß der Klub, bevor dieser mit dem VfB Kleve zum 1. FC Kleve fusionierte, war seine sportliche Heimat.

 Knapp überm Rasen - aber immer gefährlich: Manni Priewe, SC Kleve 63, hat gegen den SV Wermelskirchen abgezogen.

Knapp überm Rasen - aber immer gefährlich: Manni Priewe, SC Kleve 63, hat gegen den SV Wermelskirchen abgezogen.

Foto: gottfried Evers

Manni Priewe gehört heute noch zu den Fußballern, die jeder kennt, der in den 70er oder 80er Jahren irgendwo am unteren Niederrhein mal auf einem Platz stand. Der Fußball hat das Leben des Ausnahmespielers geprägt. Aber nicht nur der. Denn neben der Sportart liebt er eines noch mehr - seine Frau Ingrid. Mit ihr wohnt er zusammen in einer Doppelhaushälfte in Materborn. Dort sitzt er im Wohnzimmer. Vor ihm auf dem Couchtisch liegen mehrere Alben und Ordner. Darin befindet sich Priewes Leben als Fußballer. Zu jeder Seite, die er aufschlägt, kann der 64-Jährige eine Geschichte erzählen.

Im ersten Album sind Bilder und Zeitungsausschnitte von seiner Zeit bei NEC Nimwegen. Nachdem er zwei Jahre in der 1. Mannschaft des SC 63 gespielt hatte, waren die Niederländer auf ihn aufmerksam geworden. Vor allem, weil er Tore schoss. Viele Tore. Dabei gehörte der Klever bereits damals nicht zu der Sorte Stürmer, die vorne winkend auf den Ball wartend, herumstanden. Priewe war ein spielender Angreifer. An sein Auftaktduell in der Eredivisie erinnert er sich bestens. "Es war gegen Ajax Amsterdam. Das Stadion fasste nicht alle Zuschauer, so dass zusätzlich Tribünen auf der Rundbahn aufgebaut wurden", sagt er. 1:1 hieß es nach 90 Minuten. Wenn Priewe von NEC erzählt, so gehört diese Zeit nicht in die Kategorie "Zu Gast bei Freunden", denn: "Ich konnte die Holländer nicht ab." Die aber auch ihn nicht. Das fing beim ersten Training in der Saison 1974/75 an. Deutschland war gerade Weltmeister gegen die Niederlande geworden und Priewe wurde als lästiger Nachbar kaum registriert. Das führte dazu, dass Klever Fußballfans, die sich NEC Spiele mit Priewe angeschaut hatten, an der Grenze vom Zöllner erfuhren: "Komisch, Manni ist schon eine halbe Stunde vor euch vorbei gekommen." Er war sofort nach Spielschluss ohne zu Duschen nach Hause gefahren. "So schlecht kann ich bei denen aber nicht gespielt haben", weiß er. Nach der zweiten Saison wollte NEC ihn nach Sparta Rotterdam verkaufen. Auch ein Erstligist. Aber er wollte nicht. "Die hätten richtig Geld für mich bekommen und kamen zu uns nach Hause", erzählt der Klever. Ingrid Priewe weiß es noch genau: "Da sind zwei von NEC mit mir in die Küche gegangen und haben einen Koffer auf den Tisch gestellt. In dem waren 15.000 Mark. Die hätten wir bekommen. Ich sollte Manni überreden, nach Rotterdam zu gehen. Aber ich hab' gesagt, die sollen verschwinden."

Nach einer kurzen Zwischenstation SC Kleve 63 (1976/77) wechselte der Klever zu Schwarz-Weiß Essen in die 2. Bundesliga Nord. Der größte Unterschied war das Training. In Nimwegen wurde kaum gelaufen und alles mit dem Ball gemacht. Besonders gerne die von Fußballern durchaus geschätzte Übungsform "Gammeleck". Sein Coach in Essen war Dieter Tartemann. Hier lief Training nach dem Motto ab: "Seht ihr den Baum da hinten? Hinrennen!" Priewe erinnert sich: "Dieter war ein Pfundskerl, aber so viel wie bei dem, bin ich noch nie mit Bleiweste gelaufen." Täglich fuhr er 110 Kilometer nach Essen hin und wieder zurück. Von Kleve wollte er nicht weg.

Nach einigen Jahren bei Olympia Bocholt kehrte Priewe wieder nach Hause zurück, an den Bresserberg (1984/85). Als ein paar Spielzeiten vorbei waren, gab es auch beim SC 63 Probleme mit Niederländern. "Ich war Trainer, Arend van Dronkelaer Vorsitzender, und wir hatten etliche Holländer im Kader." Es bildete sich eine Parallelgesellschaft. Im Trainingslager, so Priewe, hätten die nur für sich gesessen. Dann hat er den Vorsitzenden angerufen. Als der da war, bessert es sich kurz, und am nächsten Tag war alles wie immer. Taktische Anweisungen wurden so gut es eben ging, nicht befolgt, irgendwann reichte es Priewe und er hörte auf. Mehrere Jahre war er Trainer bei Kreisliga-Klubs. Dreimal beim SV Rindern, bei Concordia Goch, DJK Appeldorn, SG Hasselt. Mit allen Teams ist er aufgestiegen. Noch heute schaut er sich gelegentlich Spiele in der A- oder B-Liga an. Zuletzt war er bei der Partie SV Donsbrüggen gegen den SV Nütterden. "Geld macht heute auch den Amateursport kaputt. Da wird doch schon in den unteren Klassen gezahlt, damit Spieler kommen. Es ist viel wichtiger, für gute Trainer - auch im Jugendbereich - etwas auszugeben", ist er überzeugt.

Sonntags ist er entweder mit Ingrid unterwegs oder steht auf Amateurplätzen am Rand. Samstags schaut er Bundesliga auf Sky. Sein Verein ist? "Dafür schäme ich mich ein bisschen. Es ist der HSV, der hätte schon seit vier Jahren absteigen müssen."

Einmal im Jahr werden die ehemaligen NEC-Spieler vom Verein eingeladen. Priewe gehört dazu. Dort trifft er auf etliche Profis, die einige Jahre länger in der Eredivisie unterwegs waren. "Ich war lange der Meinung, ich hätte in meiner Karriere etwas falsch gemacht. Heute weiß ich, es war richtig", hat er erkannt, denn: "Wenn ich einige Ex-Spieler von NEC heute wiedertreffe, so leben die jetzt von 750 Euro Rente, weil die damals nur Fußball gespielt haben." Denn der Fußball vergisst seine Helden schnell. Manni Priewe arbeitet seit 41 Jahren bei der Stadt Kleve. Seit über 20 Jahren als Hausmeister an der Luther-Schule. Im nächsten Jahr hat er viel Zeit und keinen Job mehr. Er geht in den Ruhestand. Selbst wenn Priewe einer der Klever ist, der höher hätte spielen können. Er trauert dem nicht nach. Er ist zufrieden.

(jan)
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