Kalkar Schwarze Schafe – Wolle ohne Wert

Kalkar · Obwohl die weltweite Nachfrage nach Wolle steigt, profitieren deutsche Schäfer kaum davon: Vor allem dunkle Wolle wird oft entsorgt statt verkauft. Dabei könnten die hiesigen Schäfer durchaus am Trend verdienen, sagen Experten – wenn sie sich besser organisieren würden.

 Schäfer Robert Evers aus Kalkar mit einem Exoten aus seiner Herde: einem schwarzen Schaf. Die Tiere seien sehr fruchtbar und gute Mütter, sagt der 39-Jährige. Nur mit ihrer Wolle lässt sich hierzulande wenig Geld verdienen.

Schäfer Robert Evers aus Kalkar mit einem Exoten aus seiner Herde: einem schwarzen Schaf. Die Tiere seien sehr fruchtbar und gute Mütter, sagt der 39-Jährige. Nur mit ihrer Wolle lässt sich hierzulande wenig Geld verdienen.

Foto: Evers, Gottfried

Obwohl die weltweite Nachfrage nach Wolle steigt, profitieren deutsche Schäfer kaum davon: Vor allem dunkle Wolle wird oft entsorgt statt verkauft. Dabei könnten die hiesigen Schäfer durchaus am Trend verdienen, sagen Experten — wenn sie sich besser organisieren würden.

Auf seine Zwartbless-Schafe lässt Robert Evers nichts kommen. Die schwarzen Tiere seien nicht nur schön, sagt der 39-jährige Schäfer aus Kalkar. "Sie sind sehr fruchtbar und gute Mütter — die perfekte Ergänzung zu meinen robusten Suffolk-Schafen und den Texelschafen, die hochwertiges Fleisch liefern." Deshalb will er die dunkelwolligen Tiere weiter halten, sagt Evers — auch wenn ihn das zum absoluten Exoten unter seinen rund 2000 Kollegen in NRW macht. Nur noch jedes siebte der 70 000 Schafe im Rheinland ist schwarz oder dunkel. Denn: Mit ihrer Wolle lässt sich noch weniger Geld verdienen als mit der weißer Schafe.

Bekommt Evers für weiße Wolle von seinem holländischen Abnehmer 1,20 Euro pro Kilogramm, zahlt die Firma für die gleiche Menge dunkler Wolle nur 20 Cent. Bei den diesjährigen NRW-Schaftagen nahmen die Veranstalter dunkle Wolle sogar nur ohne Vergütung an. "Schwarze Wolle kriegen Sie nicht los", heißt es dazu beim Abnehmer Paderwolle. Der Grund: Die Käufer wissen nicht, welche Qualität sie bekommen — Dreck, Kot oder Steine lassen sich in dunkler Wolle nur schwer erkennen. Zudem ist es deutlich aufwendiger, schwarze Wolle zu färben. Dunkle Wolle wird daher meist nur als Dämmmaterial und Düngemittel verwendet.

Ohnehin profitieren die hiesigen Schäfer vom derzeitigen Woll-Boom — die Preise haben sich im Laufe des letzten Jahres fast verdoppelt — auf deutlich niedrigerem Niveau als ihre ausländischen Kollegen. In Australien zum Beispiel treibt die steigende Nachfrage die Preise für weiße Wolle auf zehn bis 20 Euro pro Kilogramm — mindestens das Zehnfache des Preises, der in Deutschland gezahlt wird. Das liegt zum einen an der Qualität: Australische Merinowolle ist feiner als die deutscher Schafe. Sie wird für Maßanzüge verwendet, deutsche Wolle hingegen vorrangig für Teppiche, Socken und Filz. Zudem können deutsche Schäfer keine großen Mengen einheitlicher Wolle liefern. Insgesamt produzieren sie pro Jahr nur 6000 Tonnen— im Gegensatz zu den 465 000 Tonnen, die Australien liefert. Allein in NRW gibt es 40 verschiedene Rassen.

Das Ergebnis: Die hiesigen Schäfer finanzieren sich statt über Wolle zu 90 Prozent über den Verkauf von Lammfleisch und Landschaftspflege — wie auch Robert Evers. "Pro Lamm investiert man zwischen 20 und 30 Euro", sagt er. "Das Fleisch bringt pro Tier rund 100 Euro ein." Und für jeden Hektar Land, auf dem seine Tiere das Gras kurz halten, bekommt er am Ende des Jahres 300 Euro.

Die vier bis sechs Kilogramm Wolle, die er pro Schaf jedes Jahr verkauft, fallen da kaum ins Gewicht. Wenn die Schäfer Glück haben, liegen die Einnahmen über dem Preis für die Schur, die je nach Herdengröße zwei bis zehn Euro pro Tier kostet. "Wolle ist einfach keine Einnahmequelle", sagt Robert Evers. Gerd Feld, Schafexperte von der Landwirtschaftskammer NRW, drückt es drastischer aus: "Für die meisten Schäfer ist Wolle ein Abfallprodukt."

Verschenkte Ressourcen, finden Experten. "Die deutschen Schäfer könnten viel stärker vom weltweiten Woll-Boom profitieren, wenn sie sich besser organisieren und ihr Produkt geschickter vermarkten würden", sagt Jens Nielsen, Vorstandsmitglied in der Deutschen Wollvereinigung und Leiter verschiedener Arbeitsgruppen der International Wool Textile Organization (IWTO) in Brüssel. Vor allem für die großen Abnehmer aus Asien müssten sie große, aber trotzdem gut sortierte Mengen bereitstellen.

Genau das versucht Robert Evers. Er hat sich mit anderen Schäfern aus dem Kreis Kleve zusammengeschlossen. Sie geben ihre Wolle an einer zentralen Sammelstelle ab und lassen sie dort von einem holländischen Großabnehmer abholen, der das Material dann weiter nach China verkauft, wo Teppiche daraus gemacht werden. Und bei der Deutschen Schafschurmeisterschaft war das Wolle-Sortieren in diesem Jahr zum ersten Mal eine eigene Wettkampfdisziplin. "Und trotzdem wird man als Schäfer nicht reich", sagt Robert Evers. Er habe Glück, meint er, er sei auch Pädagoge, da finde sich immer ein Nebenjob. Auf diese Weise verdient er auch derzeit dazu. Aufgeben — wie es zehn Prozent seiner Kollegen jedes Jahr tun — will er trotz der schlechten Einnahmesituation nicht, sagt er: "Als Schäfer hat man schließlich auch seinen Stolz."

(RP/jul)
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