Kleve Schulsituation - ein Armutszeugnis

Kleve · Ein Lehrer der Realschule beklagt sich über den Zustand des Gebäudes an der Hoffmannallee und die Bedingungen, unter denen die Pädagogen dort arbeiten müssen. Politik kritisiert: Sanierungsbeschluss wurde vor zehn Jahren gefasst.

 Unhaltbare Zustände: Für Lehrer Michael Hackethal ist die Situation an der ehemaligen Realschule ruinös.

Unhaltbare Zustände: Für Lehrer Michael Hackethal ist die Situation an der ehemaligen Realschule ruinös.

Foto: Markus van Offern

Im August des vergangenen Jahres kam Michael Hackethal nach Kleve. Sein erster Eindruck von der Stadt mit der Hochschule, den prächtigen Parkanlagen und Museen war positiv. Hackethal ist 56 Jahre alt und Lehrer für Englisch und Philosophie. Er arbeitet immer befristet, da er als Vertretungslehrer angestellt ist. Derzeit unterrichtet er Englisch an der Realschule, die an der Hoffmannallee zusammen mit einigen Klassen der Sekundarschule untergebracht ist. Sein Bild, das er von der Kreisstadt gewonnen hatte, änderte sich schlagartig, als er das Gebäude betrat.

"Die Zustände hier sind eine Katastrophe", zeigte sich Hackethal geschockt. In einigen Klassenräumen müssten ständig die Fenster offen sein. "Die haben einen Eigengeruch, der kaum zu ertragen ist." Entsetzt sei er ebenfalls von der kargen Einrichtung. Hackethal kann dies beurteilen. Er war in den vergangenen Jahren an verschiedenen Schulen beschäftigt. Zuletzt im Bergischen Land. "Es war eine Kommune mit 4500 Einwohnern. Die Schule war um Längen besser ausgestattet. So etwas wie hier, habe ich noch nicht erlebt", sagt er. So sei etwa nur eine Klasse mit einem Beamer ausgestattet. Ein hilfreiches Instrument, so der Pädagoge, aber es sei eben nur eine Klasse, die einen Projektor habe. Die anderen hätten Pech.

Im Lehrerzimmer, das sich etwa 50 Kollegen teilen, stehe ein alter PC mit einem Windows XP-Betriebssystem. Von dem könne man nicht einmal drucken, so Hackethal. Den Rechner müssten sich die Kollegen ebenso teilen wie einen Kopierer. "In den Pausen bildet sich dort eine Schlange, um Unterlagen für die Klassen zu vervielfältigen. Fällt der Kopierer aus, ist eben Schluss mit Unterrichtsmaterial", so der 56-Jährige. Mittlerweile drucke er einfache Dokumente für die Klasse zu Hause aus. Freien WLAN-Zugang habe es selbst in der verträumten Schule im Bergischen gegeben, betont er.

Was der 56-Jährige trotz der miserablen Zustände als äußerst positiv wahrnimmt, ist, wie engagiert seine Kollegen trotz der widrigen Umstände arbeiten. "Ich habe hier keinen kennengelernt, der sich hängen lässt. Die Motivation, den Kindern eine gute Ausbildung zu geben, ist sehr groß." Für den Pädagogen ist es beschämend, wenn er sieht, welche Wertschätzung den Schülern hier entgegengebracht wird. "Ich bin mir sicher, dass die Kinder das merken. Sie werden in einer Schule unterrichtet, die den heutigen Ansprüchen keineswegs gerecht wird."

Nach Ansicht der Politik werden nur die Altlasten verwaltet. Die Bausubstanz der Schulen ist nicht erst seit gestern ein Thema in Kleve. Für Michael Bay, Bündnis 90/die Grünen, ist es ein Skandal: "Ich kann nur begrüßen, dass sich endlich auch mal ein Lehrer meldet und diese katastrophalen Verhältnisse anprangert. 2008 haben wir einstimmig den Beschluss zur Sanierung gefasst. Wenn alles glatt läuft, ist die Schule 2021 fertig."

"Das Gebäude an der Hoffmannallee sollte ein Haus mit Vorbildfunktion werden, was energetische Sanierung und Passivhausstandard betrifft. Nach einem Fehler im Vergabeverfahren bemüht man sich derzeit, die Planung neu auszuschreiben", sagt Jörg Cosar (CDU), der Ehrenvorsitzender der Stadtschulpflegschaft ist. Auch Daniel Rütter (FDP) lässt keinen Interpretationsspielraum zu, wenn man ihn auf das Thema "Sanierungsbedarf" anspricht: "Hier bekommt die Stadt nichts gebacken. Da werden Fördermittel von einer halben Million verplempert, weil alles zu lange dauert. Die ehemalige Realschule ist doch nur ein Beispiel. Beim Adenauer-Gymnasium ist die Situation nicht anders. Klassen der Gesamtschule Rindern müssen jetzt in das alte Alltours-Gebäude umziehen. Dort sind Räume, die für einiges zu gebrauchen sind, aber nicht, um dort Kinder zu unterrichten." Petra Tekath (SPD) erklärt: "Ich weiß nichts davon, dass bei der Schule an der Hoffmannallee ein Bedarf an Material besteht. Der müsste dann angemeldet werden. Wenn es um das Thema Altbau geht, kann ich die Kritik nachvollziehen. Da muss seit Jahren etwas passieren."

Die Stadt Kleve äußert sich in einer Stellungnahme unter anderem zu dem abgebrochenen Verfahren zur Sanierung. So sei eine Vergabe beanstandet und von der Vergabekammer aufgehoben worden. Nachdem die Schulform sowie die Größe der Schule politisch verändert wurde, die Sekundar- wird in eine Gesamtschule umgewandelt, hätte auch das vorherige Vergabeverfahren nicht mehr durchgeführt werden können. Die Mittelzusage sei zurückgezogen worden, da eine weitere Haushaltsübertragung vom Ministerium nicht mehr möglich war. Nun werde unter fachlicher Begleitung, so die Stadt, ein Werkstattverfahren durchgeführt, um die Anforderungen an die Gesamtschule zu prüfen. 2018 soll dann die Projekt-Steuerer und ein Generalplaner ausgeschrieben. 2018 steht jetzt als nächster Termin im Raum. Und wenn auch der nicht gehalten werden kann? Schwamm drüber.

(jan)
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