Kleve Rollt ein Reaktor durch Kleve

Kleve · Der Transport einer 176 Tonnen schweren Metallkonstruktion lockt zu später Stunde viele Schaulustige an die Straße. Für das Team der Firma Winkels ist der Job Routine, und doch kann es immer zu unerwarteten Hürden kommen.

 An der Kreuzung zur Emmericher Straße begleiten nicht nur die Polizei, sondern auch Schaulustige und Anwohner den Schwertransport.

An der Kreuzung zur Emmericher Straße begleiten nicht nur die Polizei, sondern auch Schaulustige und Anwohner den Schwertransport.

Foto: Markus van Offern

21 Uhr in Kleve, die Straßen leeren sich zusehens. Wer noch mit dem Auto unterwegs ist, fährt nach Hause. Auf dem Gelände des Metallbauers Winkels aber herrscht reichlich Betrieb. Aus den Werkshallen schallt das Geräusch von Fräsen, Funken sprühen. Dort wird noch an großen zylinderförmigen Aufbauten gearbeitet. Draußen liegt solch ein überdimensionierter Zylinder. Besser gesagt ein Reaktor, der zur Kunststoffproduktion gebraucht wird. 176 Tonnen bringt er auf die Waage - Transport mit einem normalen Lkw ausgeschlossen.

Eine niederländische Spezialfirma sorgt dafür, dass der Koloss zum Rhein transportiert wird. Der 34 Meter lange und 4,5 breite und hohe Reaktor liegt auf zwei Aufliegern, deren Achsenanzahl ein Dutzend weit überschreitet. Gelbe Lichter blinken, von der Zugmaschine leuchten grelle LED-Scheinwerfer die Fracht aus. Geschäftig läuft das Team der niederländischen Firma um den Transporter, begleitet von mehreren Polizisten, die den Schwertransport begutachten und während seiner Fahrt später absichern. Um 22 Uhr soll sich der Tross in Bewegung setzen, langsam rangiert Johann, der Fahrer, seine tonnenschwere Fracht auf dem Gelände gen Ausfahrt. Um 21.30 Uhr warten alle nur noch auf das Begleitfahrzeug, das den Schwertransport absichern soll. Rund eine Stunde sind für die Fahrt von Kleve an den Rhein bei Emmerich, wo der Reaktor auf einen Ponton geladen werden soll, veranschlagt. Ob das Team ihn in dieser Nacht dorthin bringen kann, ist für kurze Zeit aber unklar. Über Funk bekommen Polizei und die Firma Winkels die Meldung, dass über die Strecke ein Kabel, dass zwei Ampeln verbindet, zu niedrig hängt. "Die Anlage gehört zu einer Baustelle, die eigentlich erst morgen hätte eingerichtet werden sollen", sagt Josef Feitsma vom Metallbauer Winkels.

 Zu niedrig: Eine Leitung muss mit dem Kran angehoben werden.

Zu niedrig: Eine Leitung muss mit dem Kran angehoben werden.

Foto: van Offern Markus

Hektik ob des engen Zeitplans bricht aber nicht aus. Routiniert besprechen Transportfirma, die Polizei und der Hersteller kurz das Vorgehen, dann steht fest: Zwei Hebebühnen werden das Kabel anheben, so dass der Schwertransport die Stelle ohne Probleme passieren kann. Flexibilität sei bei solchen Aktionen ganz wichtig, erklärt Feitsma. Und das obwohl bei einem solchen Transport im Vorfeld alles bis ins kleinste Detail geplant ist. Ampeln wurden umgedreht, Halteverbotsschilder aufgestellt, ein Kreisverkehr in der Mitte geöffnet, damit der überlange Lkw ohne große Probleme passieren kann. Für die meisten Beteiligten ist das nahezu alle zwei Monate Routine, zumal es sich bei diesem Schwertransport um einen vergleichsweise kleinen handele. "Wir hatten schon größere und auch Ende November wird wieder ein längerer und breiterer Reaktor transportiert", sagt Josef Feitsma.

Dennoch zieht es viele Bewohner entlang der Strecke ins Freie. Und obwohl sie das Spektakel vor ihrer Haustüre schon kennen, macht der ein oder andere von seinem Wohnungsfenster noch Videos oder Fotos oder steht einfach nur staunend am Straßenrand. Geduldig warten auch die Autofahrer an den gesperrten Kreuzungen, bis der Transport den Bereich passiert hatte.

Hinter dem Steuer des Schwerlasters sitzt an diesem Abend Fahrer Johann. Für den Niederländer ist es ein ganz normaler Auftrag. Er macht den Job schon seit 30 Jahren. Nahezu jede Woche bringt er tonnenschwere Lasten, die für normale Lkw zu schwer sind, von A nach B. "Ich muss natürlich wegen des Gewichts und der Länge sehr vorsichtig fahren und gut rangieren können", sagt er. Besonders die Auffahrt auf den schwimmenden Ponton sei eine Herausforderung. Dieser muss durch das Befüllen von Wassertanks genau ausbalanciert werden und auch Wellen und die Strömung können zum Problem werden. Ganz allein am Steuer ist er aber nicht. Denn die Auflieger lassen sich getrennt von einander steuern. So sitzt am Ende des zweiten Aufliegers ein weiterer Fahrer, der in engen Kurven den Auflieger steuern kann, das ermöglicht dem Gefährt mehr Spielraum. Der wird auch gebraucht - spätestens am Rhein. Denn dort fährt der Schwertransport in Schrittgeschwindigkeit rückwärts über eine Rampe in Form eines schmalen Feldweges bis kurz vors Wasser. Auch dabei spürt man die Routine und Unaufgeregtheit des Teams, jeder Handgriff sitzt. Bis zum Anbruch des nächsten Tages bleibt der Transport dort stehen. Dann fängt das Team mit den Vorbereitungen für das Umladen auf den Ponton an, während an der Transport-Strecke die Ampeln wieder in Stellung gebracht werden. Ende November beginnt das Schauspiel dann wieder von Neuem, wenn der nächste Schwertransport über die Emmericher Straße gen Rhein fährt.

(maxk)
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