Kleve Punkt für Punkt

Kleve · Die Klever Künstlerin Paula Roesch sticht Handpoke-Tattoos. Jeden Punkt der Bilder setzt sie mit der Hand und einer Nadel unter die Haut. Das Ergebnis sind filigrane Kunstwerke, für die Kunden auch schon mal aus Stockholm anreisen.

Kleve: Punkt für Punkt
Foto: Max Germer

Wer Paula Roeschs kleinen Laden in Köln betritt, der hat ziemlich sicher einen Termin. Laufkundschaft gibt es hier nicht, dafür würde das kleine Geschäft vielleicht auch ein bisschen zu versteckt liegen. Wer herkommt, möchte ein Tattoo, und trotzdem geht er in kein Tätowierstudio. "Manchmal sagen wir Laden, aber eigentlich ist es unser Atelier", sagt Roesch. "Wir" - das sind Roesch und ihr Kollege Alejandro Borrelli aus Argentinien. Bei den beiden wird schnell klar: So ganz normal ist das nicht, was hier unter die Haut gestochen wird.

Kleve: Punkt für Punkt
Foto: Paula Roesch

Paula Roesch ist bildende Künstlerin. Sie ist in Kleve und Düsseldorf aufgewachsen, studierte Freie Kunst in Hamburg und Münster. Zuletzt waren ihre Werke im Kunstraum Bahnhof 25 in Kleve zu sehen. "Ich hatte früher nie Kontakt zur Tattoo-Szene", sagt sie. Geschweige denn ein eigenes auf der Haut. Bis während ihres Studiums eine Bekannte auf ihre Zeichnungen aufmerksam wird - und sich Roeschs Art zu arbeiten für immer verändert.

Kleve: Punkt für Punkt
Foto: Paula Roesch

Heute gestaltet die 31-Jährige sogenannte Handpoke-Tattoos. "Die Motive werden anders gestochen als beim gewöhnlichen Tätowieren", sagt sie. "Ich steche jeden einzelnen Punkt mit der Hand." Und das erkennt man später auch. Wer große farbige Flächen sucht, ist bei Roesch an der falschen Adresse. Sie entwirft filigrane Kunstwerke, spielt mit abstrakten und figürlichen Motiven, lässt diese brechen und zerfließen. Vom kleinen Punkt am Knöchel bis zum großen Werk auf dem Rücken. "Das große Format finde ich wirklich schön. In mehreren Sitzungen lernt man sich ja auch besser kennen", sagt sie. Gestochen werden die Bilder mit einer gewöhnlichen Tätowiernadel. Nur eben ohne Maschine und ohne lautes Surren. "Das ist eine sehr ruhige Art zu arbeiten, fast schon meditativ", sagt Roesch. Manchmal stelle sie sich vor, dass auch Menschen vor 10.000 Jahren in einer Höhle hätten beisammen sitzen und so tätowieren können. Der Gedanke gefällt ihr. "Es gibt nur meine Hand, die Nadel und die immer gleiche Bewegung."

Und den Unterschied zu ihrer übrigen Arbeit, dass ihre Kunstwerke nicht auf Leinwand gebannt werden, sondern auf das lebende Objekt. "Handpoke-Tattoos sind viel schonender, allein schon, weil nicht so häufig in die Haut gestochen wird wie mit einer Maschine", sagt Roesch. Vielleicht ist das auch der Grund, dass sie durchaus einige Kunden hat, die komplett ohne Tattoo-Erfahrung zu ihr kommen. Und viele mit kreativem Hintergrund. "Aber eigentlich ist es eine bunte Mischung." Ihr Ruf hat sich mittlerweile herumgesprochen. "Neulich war eine Frau bei mir, die extra aus Stockholm angereist ist", sagt Paula Roesch. Eine andere Kundin kam aus Marseille. "Das fand ich fast ein bisschen verrückt."

Motive aus einem Katalog gibt es bei der 31-Jährigen nicht. Sie sticht auch nichts nach, was Kunden schon irgendwo anders gesehen haben. "Das allermeiste,was ich tätowiere, zeichne ich selbst", sagt sie. Ein Wal, Vögel in den Baumkronen, Fuchs und Hase. Ideen dürfe aber auch jeder mitbringen. "Das ist ja ihre Haut, da dürfen sie natürlich mitreden", sagt Roesch und lacht. Darauf wird dann übrigens auch mal direkt angezeichnet. "Zum Glück habe ich so mutige Kunden", sagt sie. Ganz besonders wird es, wenn sich Menschen Gesicht oder Hände stechen lassen. "Das ist ja immer sichtbar", sagt die Künstlerin.

Auch wenn sie ihr Atelier mittlerweile im urbanen Köln hat, lässt sich Roesch immer noch stark von der Natur beeinflussen, sucht ihre Nähe. Und davon hat sie schon seit ihrer Jugend in Kleve reichlich. Gerade in ihrer Anfangszeit arbeitete sie viel mit Gräsern und zarten, floralen Motiven. Das Leben prägt ihre Kunst und umgekehrt. Seit sie mehr Zeit auf einem Hausboot verbringt, wird ihre Arbeit abstrakter, außerdem kommen mehr Landschaften ins Spiel. "Zwischen einer Landschaft und dem Körper gibt es viele Analogien", sagt Roesch. Da werden Adern zu Ästen und Linien entwickeln ein Eigenleben.

Ob es auch Motive gibt, die sie ablehnt? "Ja, natürlich", sagt Roesch. Jeder müsse den Tätowierer finden, der für ihn am besten geeignet sei. "Ich würde eher keine großen Schriftzüge stechen, dafür gibt es andere, die das können", sagt sie. Bleibt die Frage, ob sie unbedingt noch etwas tätowieren möchte. "Ich hätte mal große Lust auf ein Tribal", sagt Roesch und lacht. "Einfach, weil ich es noch nie gestochen habe."

Internet: www.paularoesch.de

(RP)
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