Bedburg-Hau/Bonn Polizei schnappt Forensik-Ausbrecher

Bedburg-Hau/Bonn · 34 Stunden nach seiner spektakulären Flucht wurde der 35-jährige drogenabhängige Straftäter in seiner Heimat Bonn am Samstagmorgen von einem Spaziergänger erkannt und kurz darauf von Einsatzkräften der Polizei festgenommen.

 Aus dem Haus 28 entkam der Forensik-Patient, rechts die vier Meter hohe Mauer mit Stacheldrahtzaun, über die der Mann kletterte.

Aus dem Haus 28 entkam der Forensik-Patient, rechts die vier Meter hohe Mauer mit Stacheldrahtzaun, über die der Mann kletterte.

Foto: Markus van Offern

Nach fast genau 34 Stunden in Freiheit ist der aus der Forensik der LVR-Klinik Bedburg-Hau geflüchtete 35-jährige Straftäter am Samstagmorgen von der mit den Ermittlungen beauftragten Einsatzkommission der Polizei Essen geschnappt worden. Nach einer breit angelegten öffentlichen Fahndung, unter anderem auch im Bereich Bonn, ging der aus Bonn-Siegburg stammende Mann den Beamten in seiner Heimat ins Netz. Ein aufmerksamer Bonner Bürger hatte den zur Fahndung ausgeschriebenen Täter um 9.30 Uhr in Bonn-Poppelsdorf in der Nahe der Botanischen Gärten auf der Reuterstraße entdeckt. Wie eindringlich von der Polizei im Vorfeld empfohlen, sprach der Spaziergänger den Gesuchten nicht an, sondern informierte sofort die Polizei über den Notruf 110. Ein Einsatzkommando entdeckte kurz darauf den beschriebenen Mann. Mit gezogenen Schusswaffen zwangen sie den Straftäter, sich auf den Boden zu legen. Auf Nachfrage erklärte der Mann auch sofort, der gesuchte Ausbrecher zu sein. In seinen Taschen entdeckten die Polizisten einen Schlagring. Die Überprüfung seiner Fingerabdrücke bestätigte den erfolgreichen Abschluss der bundesweiten Fahndung.

Beamte der Essener Ermittlungskommission holten den 35-Jährigen in Bonn ab und führten ihn dem Haftrichter vor, heißt es in der gemeinsamen Presseerklärung der Polizei Essen und der Staatsanwaltschaft Kleve. Wie der Mann von Bedburg-Hau aus nach Bonn kommen konnte, wurde nicht mitgeteilt, allerdings fährt der "Niersexpress" ab Kleve in Richtung Düsseldorf. Möglicherweise hat er sich einfach in einen Zug gesetzt.

Nach Auskunft von Dr. Jack Kreutz, Forensik-Chef in der LVR-Klinik Bedburg-Hau, war der drogenabhängige Ausbrecher wegen Eigentumsdelikten und Beschaffungskriminalität verurteilt worden. Er soll seit etwa einem halben Jahr Forensik-Patient sein und wäre nach der Planung 2019 entlassen worden. Daraus wird jetzt wohl nichts mehr, denn der 35-Jährige wird sich wegen des gewalttätigen Ausbruchs mit Geiselnahme mit Sicherheit erneut vor Gericht verantworten müssen.

Wie berichtet, war dem 35-jährigen Insassen am Donnerstag gegen 23.20 Uhr die spektakuläre Flucht aus dem besonders gesicherten geschlossenen Bereich der Kliniken gelungen, nachdem er zuvor mit einem 28-jährigen Komplizen einen Pfleger als Geisel genommen hatte. Nach Auskunft von Oberstaatsanwalt Günter Neifer verletzten die mit einem selbstgebastelten "messerartigen Gegenstand" bewaffneten Männer den Pfleger und schnitten ihm dabei auch ein Stück eines Ohrläppchens ab, um den Pförtner dazu zu bewegen, das Tor des Hauses 28 am südlichen Rundweg zu öffnen, was der Pförtner aber vorschriftsmäßig ablehnte. Während der als sehr sportlich und muskulös beschriebene und drogenabhängige 35-Jährige die vier Meter hohe und zusätzlich mit Stacheldraht gesicherte Mauer in bisher noch nicht geklärter Art und Weise überwinden konnte, scheiterte sein 28-jähriger Komplize an der Mauer und konnte kurze Zeit später innerhalb der Einrichtung widerstandslos festgenommen werden.

Kriminalbeamte vernahmen in der Nacht nach dem Ausbruch zudem noch zwei weitere Insassen, die sich möglicherweise der Mittäterschaft schuldig gemacht haben könnten, und dem Ausbrecher offenbar halfen, das nachts vierköpfige Pflegepersonal zu attackieren. Der verletzte Pfleger wurde nach dem Ausbruch ins Krankenhaus transportiert, das er einige Stunden später aber schon wieder verlassen konnte.

Die forensischen Abteilungen der LVR-Klinik Bedburg-Hau sind psychiatrische Spezialeinrichtungen von überregionaler Bedeutung. Zum einen werden durch Gerichtsurteil Patienten untergebracht, die eine Straftat begangen haben, zu dieser Zeit jedoch seelisch schwer erkrankt und deshalb vermindert schuldfähig oder gar schuldunfähig waren. Zum anderen handelt es sich um Patienten, die wegen einer Abhängigkeitserkrankung straffällig geworden sind. Die gerichtliche Unterbringung in der Forensik erfolgt immer dann, wenn aufgrund der Erkrankung die Gefahr erneuter Straftaten besteht. Eben diese Gefahr soll durch die Behandlung behoben werden.

Die Forensik in Bedburg-Hau, die als eine der wichtigsten und größten Einrichtungen in NRW gilt, hat 384 Plätze in verschiedenen Häusern. Im Haus 28 sind 40 Patienten untergebracht.

(RP)
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