50 Jahre Kinder- und Jugendpsychiatrie der LVR-Klinik (6) Mit dem Kopf entspannen

Kleve · "Neurofeedback" heißt das Training, das Psychotherapeut Klaus Conrad in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Rahmen der Therapie für jugendliche Cannabis-Konsumenten, bei Traumata und vor allem bei ADHS-Kindern einsetzt.

Es ist nur ein ganz kleiner Sensor aus Metall, der in einem weichen, schwarzen Band befestigt ist. Ein Klettverschluss hält das Band mit dem Sensor am Finger fest. Der Sensor ist so empfindlich, dass er sofort merkt, wenn die Angst kommt. "Der Sensor misst über den Schweiß auf der Fingerspitze die Angst", sagt Klaus Conrad, Psychotherapeut an der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der LVR-Klinik Bedburg-Hau. Der Therapeut sitzt hinter seinem aufgeklappten Laptop und beobachtet dort die Reaktion seines Patienten. Er sieht, wann der Angstsensor Ausschläge meldet. "Wenn ich beispielsweise plötzlich in die Hände klatsche, schnellt der Angstpegel nach oben", erklärt er. Dann sollte er auch wieder zurückfallen. Doch bei traumatisierten Patienten geht er nicht herunter, bleibt oben, auch wenn es keine Bedrohung mehr gibt. Der Patient kann sich nicht mehr entspannen.

Die Entspannung kann man lernen, das "Runterkommen" vom inneren Stress. "Neurofeedback" heißt das Training, das Conrad in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Rahmen der Therapie für jugendliche Cannabis-Konsumenten, bei Traumata und vor allem bei ADHS-Kindern einsetzt. Mit Neurofeedback können im Gehirn Frequenzen gemessen und dann so trainiert werden, dass man jungen Menschen mit Angstzuständen und ADHS langfristig helfen kann.

Conrad bietet das Training seit 2010 in der Kinder- und Jugendpsychiatrie an. "Wir verstehen Neurofeedback als wichtigen Behandlungsbaustein bei ADHS. Es kann nur dann besonders gut wirken, wenn die Diagnose gut gesichert wurde und andere, begleitende "Baustellen" bereits besprochen und behandelt wurden", sagt Conrad. Es gelte, durch Konzentrationsübungen seine Gehirnströme zu beeinflussen. Das hilft dem ADHS-Patienten ebenso, wie dem Cannabis-Konsumenten. "Viele jungen Menschen suchen über das Kiffen in einen ruhigen, entspannten Zustand zu kommen", sagt Conrad.

Über das Neurofeedback-Training kann ein entspannter Zustand erreicht werden - schmerzfrei und ohne Nebenwirkungen. Die Studienlage ist gut gesichert und sagt, dass ADHS-Kindern mit Neurofeedback geholfen werden kann. Aber auch im Suchtbereich findet es Anwendung. Bei Alkoholismus gibt es ebenfalls eine Behandlungsmöglichkeit mit Neurofeedback. Denn viele greifen zur Flasche oder zu anderen Drogen, um "runterzukommen". Für das Training muss das Kind oder der Jugendliche lediglich "verkabelt" werden: ein loses Netz mit ähnlichen Sensoren wie beim Zeigefinger wird auf den Kopf gezogen. Die Sensoren messen die Gehirnströme, die in diversen Kurven und Diagrammen dargestellt werden. Hinzu können auch Augenbewegungen oder eben die Angst am Finger gemessen werden.

Das Kind versucht dann auf der einen Seite des Computers in einem Spiel die verschiedenen Level zu bestehen oder einem Smiley das Lächeln ins Gesicht zu zaubern, indem es sich konzentriert und ganz ruhig wird. "Das Kind soll lernen, sich in einen ruhigen, gleichzeitig aber sehr wachen und aufmerksamen Zustand zu bringen", sagt Conrad. Auf der anderen Seite des Computers sieht der Therapeut auf seinem Bildschirm, wie sich die verschiedenen Kurven der Gehirnströme entwickeln. Je höher beispielsweise die blaue Konzentrationskurve ist, desto entspannter liegt die rote Spannungskurve.

"Man muss lernen, durch bestimmte Übungen diese Kurven zu beeinflussen", erklärt Conrad. Das braucht seine Zeit. Conrad zeigt die gespeicherten Daten von Manfred: Bei dem ADHS-Jungen sind die Konzentrations- und Entspannungs-Kurven ineinander verschränkt. Bei Paul (Namen von der Redaktion geändert), der schon länger am Computer übt, sind diese Kurven bereits getrennt: Je höher die eine steigt, desto tiefer sinkt die andere. Außerdem erkennt der Therapeut, ob die Kinder tricksen. Später lernen die Kinder und Jugendlichen, die "inneren" Kurven durch bestimmte Übungen ohne Computer zu beeinflussen, zur Entspannung zu finden. Das ist wie beim Jonglieren, je mehr man übt, desto selbstverständlicher wird das Spiel, erklärt der Psychologe. Später ist das dann wie Fahrradfahren - die Übungen laufen unbewusst ab. "Das wollen wir erzeugen", sagt Conrad. Ist die Behandlung erfolgreich, kann bei ADHS vielleicht auf die Medikamente wie Ritalin verzichtet werden. "Das ist unser Ziel", sagt Conrad. Das Neurofeedback sei immer nur ein Teil einer Gesamtbehandlungsstrategie, betont der Psychotherapeut. Und wenn es im Rahmen der Behandlung in der LVR-Klinik nach einem bestimmten Konzept erfolgt, kann es kostenlos angewandt werden. Klaus Conrad berät, ob Neurofeedback für ein Kind in Frage kommt.

(RP)
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