Bedburg-Hau Mini-art auf Spurensuche im Nationalsozialismus

Bedburg-Hau · Das Bedburg-Hauer Theater zeigte die Premiere von "Das Schutzengelhaus". Es ist eine Aufarbeitung der Kinder-Euthanasie.

Über die weiße Wand flimmert das Leben in Berlin im Jahr 1936. Autos und Straßenbahnen fahren durch die Hauptstadt, an dessen Straßenrädern die Flaggen der Nationalsozialisten gehisst sind. Vornehme Herren und Damen trinken, tanzen und haben Spaß. Im Hintergrund zu den historischen Videoaufnahmen lesen Kinder Namen vor - der Nachname ist mit einem Buchstaben abgekürzt. Die Wand, die eben noch als Leinwand diente, öffnet sich einen kleinen Spalt breit. Eine dunkelgekleidete Frau mit Koffer tritt hervor. "Du brauchst keine Angst haben", ruft sie nach hinten, ehe ein Mann, der mit seinen hochgezogenen Kniestrümpfen und einem Holzhaus im Arm wie ein kleiner Junge wirkt, erscheint. "Ich kenne es hier, ich rieche es hier", sagt er nun ein paar Meter vor der Wand stehend.

Das Haus bezeichnet die Frau "Schutzengelhaus". Das gleichnamige Stück des Bedburg-Hauer Theaters "mini-art" feierte Premiere. "Eine theatrale Collage zum Thema Kinder-Euthanasie im Nationalsozialismus am Beispiel der ehemaligen Kinderfachabteilung Waldniel-Hostert. Eine bedrückende und verängstigte Stimmung zieht sich durch das ganze Stück. Dokumentar-Aufnahmen zeigen, wie Kinder ruhig in ihren aneinander gereihten Bettchen liegen. Die Figuren erinnern sich währenddessen auf der Bühne, welche die Ruine des "Schutzengelhauses", einer Kinderfachabteilung im Nationalsozialismus für geistig und körperlich behinderte Kinder in Waldniel-Horst, darstellt, an ihre eigene Zeit. Der von Sjef van der Linden dargestellte Mann und die von Crischa Ohler dargestellte Frau schlüpfen jeweils mal in die Sicht eines der im Nationalsozialismus mindestens 3000 als "unwertes Leben" bezeichneten und ermordeten Kinder sowie in die beiden Ärzte Hildegard und Hermann Wessels. Sie gaben körperlich und geistig behinderte Kinder oder sozial auffällige Jugendliche zur "Therapie" frei, wo sie gezielt ums Leben gebracht worden. Die anfangs nichts ahnenden Eltern schrieben der Kinderfachabteilung Briefe. "Es tut uns Eltern in der Seele weh", heißt es in einem der Schreiben. Die Abschlusssequenzen zeigen die frühere Kinderfachabteilung Waldniel-Hostert heute - verlassen und heruntergekommen. Das traurige und oft verschwiegene Thema brachte das Team um Regisseur Rinus Knobel eindrucksvoll auf die Bühne. In den nächsten Wochen werden sie das Stück noch einigen Schulklassen zeigen. Außerdem gibt es am Samstag, 29. Oktober, um 19.30 Uhr, Dienstag, 1. November, um 18 Uhr und am Samstag, 28. Januar, um 19.30 Uhr noch jeweils eine Vorstellung im mini-art Theater in Bedburg-Hau.

(RP)
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