"Lügenpresse" und Polit-Frust

Kleve · Der Haushalt der Stadt Kleve wurde seit (gefühlt) Jahrzehnten erstmals wieder einstimmig verabschiedet. Das Zahlenwerk stimmt, alle Fraktionen sind voll des Lobes für den Kämmerer. Also alles gut im Staate Dänemark? Mitnichten. Denn während des Kämmerers Zahlen endlich einstimmig gewürdigt wurden, hagelte es in vielen Haushaltsreden Kritik am Vorgehen der Verwaltung: Frust spricht aus Sätzen, dass das politische Handeln ausgeschöpft sei, dass die Verwaltung beim Schulbau nicht voran kommt, obwohl nicht erst seit gestern die Politik die Mittel dafür im Haushalt bereit gestellt hat. Das Personal, vor allem im Baudezernat inklusive Gebäudemanagement, auf dessen Schultern die ganze Verantwortung in Sachen Stadtentwicklung und Schulen lastet, wurde aufgestockt. Jetzt muss die Stadt liefern - nicht nur die Stadtverordneten, auch Eltern, Schüler und Lehrer erwarten endlich Ergebnisse, was den Ausbau von Schulen und Sporteinrichtungen (die ja in der Regel direkt mit den Schulen verbunden sind) betrifft.

In der Schuldiskussion angeschlagen geht auch Bürgermeisterin Sonja Northing in den Weihnachtsurlaub: Ihr wurde von einer großen Ratsmehrheit die alleinige Entscheidung auf die Zügigkeit der Gymnasien verwehrt. Zu Recht: Diese Diskussion gehört in den öffentlichen Raum, in die Politik und nicht ins bürgermeisterliche Hinterzimmer. Das kann nicht transparent sein. Die Öffentlichkeit (also der zuständige öffentliche Ausschuss) hat ein Recht darauf zu erfahren, welche Eltern welche Schulen gewählt haben. Und in öffentlicher Diskussion muss erklärt werden.

Nachdenklich sollte auch der am Ende seiner Haushaltsrede mit einem Ausrufezeichen versehene Satz von Wolfgang Gebing machen: "Treten wir all denen entgegen, die die seriösen Medien mit Begriffen wie ,Lügenpresse' oder ähnlichen Ausdrücken diffamieren!" Denn er erlebe die Presse als kritisch, aber sachlich und konstruktiv.

matthias.grass@rheinische-post.de

(RP)
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