Kleve

Kleve · Zehn Positionen der Gegenwartskunst präsentiert die Sommerausstellung im Museum Kurhaus Kleve, die am heutigen Samstag eröffnet wird.

Kleve
Foto: van Offern Markus

Rot strahlt der "Geist", erfüllt mit seiner Erleuchtung den ganzen Raum, erfasst die Besucher. Das rote Licht blendet und fasziniert zugleich. Vor dem Auge flimmern grüne "Geisterbilder", verlässt man nach geraumer Zeit den rot pulsierenden Saal. Wie der Geist den Raum erfülle, möge er auch die Klever erfüllen, sagt Prof. Harald Kunde, Direktor des Museums Kurhaus Kleve. Via Lewandowsky, wie Kunde aus Dresden kommend, hat die geistreiche Schrift vor der Wand in fast mannshohen Buchstaben extra für die Ausstellung in Kleve gemacht. Lewandowsky reagiert mit seinen Schrift-Installationen ironisch bissig auf die auf die Wand gemalten Parolen des real existierenden Sozialismus. "Der Sozialismus siegt!" ist eine dieser Schriften, die Lewandowsky strahlend vor die Wand hing und die nach dem Mauerfall eine völlig neue Bedeutung bekam. Jetzt hat er sie wieder transformiert - in wieder eine neue Bedeutung: "Geist" ist das anders sortierte "siegt". "Es wird vollständig umgewertet von der Propaganda, hin zu einem vielschichtigen Imperativ menschlicher Möglichkeiten", sagt Kunde. Aber: Aus Geist kann auch Un-Geist werden . . .

 Peter Friedl und Heideggers Hütte im Kurhaus.

Peter Friedl und Heideggers Hütte im Kurhaus.

Foto: Markus van Offern

"Geist" ist eine von zehn Künstlerpositionen, die die Sommerausstellung im Museum Kurhaus Kleve zeigt. Sie wird am heutigen Samstag, 19.30 Uhr, im Kurhaus eröffnet. Kuratiert haben die Ausstellung Harald Kunde und Susanne Figner, die fünf Frauen und fünf Männer eingeladen haben, Einblick in die Gegenwartskunst zu geben. Es sind auch Positionen, die aufzeigen sollen, wie die Kunst auf die Irrungen und Wirrungen der Gegenwart reagiert. "Inside Intensity" lautet der vielsagende Titel. Das Spektrum reiche von "Punk", mit seinem harten, zerstörerischen Impetus, der aber auch zärtlich sein könne (so Figner), über Theater bis zur direkten Erfahrung des Gesehenen. So zeigt die Ausstellung auch das ganze Spektrum der Gegenwartskunst von der Video-Arbeit über die Rauminstallation bis hin zum 3-D-Erlebnis.

 Das Bild mit der Beuys-Zutat "Kojote" entstand eigens für Kleve.

Das Bild mit der Beuys-Zutat "Kojote" entstand eigens für Kleve.

Foto: mgr

Selbst die feine, geradezu liebevolle Zeichnung ist dabei: Doch der Kanadier Marcel Dzama, ein exzellenter Zeichner, bricht die Schönheit der aus der Ferne scheinbar so zauberhaften Blätter mit der dezidierten Darstellung von Sexualität und Gewalt, die seit den unsäglichen "50 Shades of Grey" gesellschaftsfähig zu sein scheint. Dzama richtet hier mit feinem Strich ein Brennglas auf die gegenwärtige Gesellschaft. Auf einem anderen, großen Bild entführt er hingegen in die Welt der Märchen von Christian Andersen. Auf seine Art . . .

Ganz anders die hintersinnigen Szenen von Pablo Helguera, der in New York lebt. Seine wie in der Tradition von Cartoonisten wie Sempé auf die Wand geworfenen Tuschzeichnungen nehmen den Kunstbetrieb aufs Korn. Eigens für Kleve entstand das Blatt "Was würde Beuys tun", auf dem sich der Bürger vor Kojoten auf den Baum flüchtet. Auf Folie geplottet, begleiten die Zeichnungen den Besucher durch das ganze Haus.

Still erscheint dagegen die Installation von Peter Friedl. Auf schmalfüßigen, geradezu zerbrechlichen Tischchen präsentiert der Österreicher Häuser-Modelle. Exakte Modelle, die alle irgendwie einem kollektiven Gedächtnis zu entstammen scheinen. "Das kenn' ich doch . . .", ist der erste Gedanke. Kennt man auch - denn Friedl hat Bauten gebaut, die berühmt sind. Im Kleinformat, wie die Hütte von Heidegger. Oder das Haus von Ho Chi Minh bis hin zu einer der Hütten, die Flüchtlinge auf dem Oranienplatz in Berlin bauten. "Den Aufbau der Hütte habe ich selber gesehen", sagt Friedl. Eine ausgesprochen spannende Geschichte, die sich da auftut. Sein zwischen 2012 und 2016 entstandenes Rehousing-Projekt ist in Kleve vollständig zu sehen und kann als Fallstudie einer "mentalen Geografie" verstanden werden, sagt Figner.

Ulla von Brandenburg entführt ins Theaterzelt: Aus bunten Leinen zusammengesetzt steht es inmitten dunklen Waldes, der auf die Wand gemalt wurde. Im Theater wird das Schattenstück "Shadowplay" gegeben, das von Liebe, Eifersucht und Duellen erzählt - zunächst von drei Schauspielern (als Schatten auf die Leinwand geworfen) gespielt, die das Stück dann nochmals als Schattenspiel geben. Vom Theater von Brandenburgs geht's zum "Punk" von Klare Lidén, die zur lieblichen Musik mit einer Eisenstange fast zärtlich in ballettartiger Bewegung ihr Fahrrad anstößt, um es schließlich mit brachialen Schlägen zu zerdeppern. Braucht man bei Lidén den Kopfhörer für den Ton, muss man bei Trisha Baga die 3-D-Brille aufsetzen, um den Film des Lebens und der sich auflösenden Künstlerin (so Figner) wie einen traumhaften 3-D-Rausch zu erleben. Anne Lise Coste wird ihre Arbeit heute auf die Wand zeichnen. Im Doppelsaal liegen Sterling Rubis übergroße Stofffiguren als Vampire und Megali Reus seziert in einer Installation Alltagsgegenstände.

(RP)
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