Kleve Junge Flüchtlinge gehen gern zur Schule

Kleve · Eine Klever Familie hat zwei Minderjährige aus Afghanistan, die 16 Jahre alten Ferydon und Ahmad, aufgenommen. Beide besuchen inzwischen eine "Seiteneinsteigerklasse" - für die Jungen ist dies ein wichtiger Schritt zur Integration.

 Gemeinsam lernen die Flüchtlingskinder in der Seiteneinsteigerklasse die deutsche Sprache.

Gemeinsam lernen die Flüchtlingskinder in der Seiteneinsteigerklasse die deutsche Sprache.

Foto: Gottfried Evers

Viele Jugendliche betrachten Schule als einen lästigen Graus. Die wenigstens sehen das tägliche frühe Aufstehen und Mathe-Pauken als Privileg. Ferydon und Ahmad (beide 16 Jahre alt) könnten hingegen kaum glücklicher sein, seit sie (wieder) zur Schule gehen können.

Beide flohen vor mehr als 15 Monaten aus Afghanistan. Ihre Flucht war voller Gefahren und Ungewissheiten. Nach ihrer Ankunft in Deutschland wurden sie von einer Klever Familie aufgenommen.

Damals wünschte sich ihre Gastmutter Rita F. einen geregelten Tagesablauf, der einen Schulbesuch beinhaltet. Mittlerweile hat sich dieser Wunsch erfüllt. Die beiden Afghanen besuchen eine "Seiteneinsteigerklasse" einer Klever Schule. "Es geht zu allererst nicht darum, die beiden auf einen Abschluss vorzubereiten, sondern um Integration", erklärt der Direktor der Schule Ado L. . Um dem Spagat zwischen Lernen und Integration gerecht zu werden, besuchen Ferydon und Ahmad die neunte Jahrgangsstufe, neben ihrer Seiteneinsteigerklasse. Unterstützt werden sie dabei von ihrem Gastbruder, der sie überall hin begleitet und ihnen zur Seite steht.

Der Stundenplan der Afghanen besteht vor allem aus Deutschunterricht. Acht Zeitstunden werden in der Seiteneinsteigerklasse gelehrt. Dieser Klassenverband ist ein Mix aus verschiedenen Nationen. Neben Flüchtlingskinder aus Afghanistan, Syrien, Irak oder Afrika sitzen Kinder, deren Eltern aus Bulgarien, Polen oder anderen osteuropäischen Ländern ausgewandert sind. Für den Lehrer Jürgen L. eine Herausforderung. Die Kinder weisen unterschiedliche Lernniveaus auf. "Einige Kinder sprechen ordentliches Englisch, die anderen können ein paar Fetzen" erklärt er. Ferydon spricht ein bisschen Englisch. Vor seiner Flucht besuchte er fünf Jahre eine afghanische Schule. Einige deutsche Floskeln beherrschen Ahmad und sein Landsmann schon. "Guten Tag, wie geht es dir", fragen freudestrahlend.

Die Gestaltung des Unterrichts ist nicht immer einfach. Das liegt nicht nur an der Sprachbarriere der Jugendlichen. Das ganze Schuljahr kommen neue Kinder dazu. "Wir müssen die Neuankömmlinge einfach ins kalte Wasser werfen. Es ist nicht möglich immer wieder von vorne anzufangen", erklärt der Direktor Ado L..

Um den Kindern gerecht zu werden, würde es neben dem üblichen Unterricht in der Seiteneinsteigerklasse noch ein individuelles Förderprogramm geben. Lehrer Jürgen L. hat gelernt, zu improvisieren. Oft probiert er, mit Hilfe von Händen und Füßen seinen Schüler Wörter zu erklären. Sollte das nicht klappen, nimmt er sich sein Tablet. "Wir nutzen im Unterricht öfters Computer. Zum einen für individuelle Lernprogramme. Zum anderen nutze ich öfters 'Google Translator', wenn eine Verständigung nicht möglich ist", erzählt er.

Für den Unterricht in der Seiteneinsteigerklasse nutzt der Lehrer nicht nur neue Medien, sondern setzt auch auf Gruppenarbeit und ein herkömmliches Lehrbuch. Dessen Inhalte führen zu dem Sprachlevel A 1, das bedeutet, dass Schüler in der Lage sind, einfache Konversationen zu führen. Jede Stunde bereitet ein bestimmtes Thema auf. Als es um Essen ging, bastelten die Schüler Plakate. Auf diese klebten sie Bilder von Nahrungsmitteln und mussten ein Rezept für ein Nudelgericht in die richtige Reihenfolge bringen. Sie lernten Wörter wie Frühstück oder Abendessen. Besonders Ersteres bereitete vielen, so auch Ferydon und Ahmad, Probleme. "Wir üben oft Umlaute, weil die meisten ausländischen Schüler damit Probleme haben", sagt Jürgen L.. Ahmad murmelt das Wort immer wieder leise vor sich hin, bis er aufgerufen wird. "Fruhstück", sagt er mit einem Lächeln im Gesicht.

Bei einem anderen Thema muss Jürgen L. Fingerspitzengefühl beweisen. Das Kapitel im Buch lautet "Familie". Für viele der Flüchtlingskinder ein sehr sensibles Thema. Ein Teil der Familie musste in der Heimat zurückgelassen werden, oder die Jugendlichen haben sie auf der Flucht verloren - wie Ferydon.

Neben Ferydon und Ahmad sitzt ihr Gastbruder. Er hilft ihnen und erklärt Wörter, wenn die beiden nicht mitkommen. Er betrachtet die zwei Afghanen als einen Teil seiner Familie und möchte ihnen, soweit wie ihm möglich, helfen.

(RP)
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